Ernährung in Coronazeiten: “Farbe auf den Teller bringen”

Vorarlberg / 11.04.2020 • 12:00 Uhr
Ernährung in Coronazeiten: "Farbe auf den Teller bringen"
Angelika Stöckler ist Pädagogin, Gesundheits- und Ernährungswissenschafterin.

Ernährungswissenschafterin Angelika Stöckler erklärt, wie man trotz Homeoffice gesund und fit durch die Krise kommt.

Lauterach Schon seit Wochen verbringt ein Großteil der Bevölkerung ihre Zeit in den eignen vier Wänden. Experten warnen nun, dass die Krise nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch an unserem Körper Spuren hinterlässt. Ernährungswissenschafterin Angelika Stöckler (53) erklärt, worauf bei der Ernährung jetzt besonders achtgegeben werden muss.

Wir bekommen durch Homeoffice weniger Bewegung als sonst. Experten warnen, dass die Krise dick machen kann. Was muss ich bei der Ernährung beachten, um fit durch die Krise zu kommen?

Jetzt im Frühling haben wir den Vorteil, dass es ein großes Angebot an leichten und bekömmlichen Lebensmitteln gibt. Einer unerwünschten Gewichtszunahme können wir beispielsweise vorbeugen, wenn wir reichlich frische Salate in unterschiedlichen Varianten zubereiten. Mit verschiedenen Garnituren aus Käse, knusprigen Brotwürfeln, gerösteten Kürbiskernen oder gebratenen Fleischstreifen können wir für Abwechslung sorgen. Neben den Mahlzeiten gilt es auch den Getränken Beachtung zu schenken. Limonaden und Säfte sowie alkoholische Getränke sind nicht als Durstlöscher geeignet und sollten dem Wohlbefinden und der Figur zuliebe nur in kleinen Mengen und bewusst genossen werden.

Man ist zu Hause auch geneigt, öfters zum Kühlschrank zu gehen. Wie kann ich dem gegensteuern?

Empfehlenswert ist, sich auf dem Weg zum Kühlschrank noch die Frage zu stellen: Habe ich Hunger, Durst oder hole ich nur etwas zum Zeitvertreib? Denn wer seine echten Bedürfnisse kennt, kann bessere Entscheidungen treffen. Für jene, die Verlockungen schlecht widerstehen können, kann es hilfreich sein, Zwischenmahlzeiten bewusst einzuplanen. Die kleinen Imbisse sollten vorzugsweise aus Obst oder Gemüse bestehen. Ratsam ist es, Mahlzeiten ausschließlich am Esstisch und nicht nebenbei am Arbeitsplatz einzunehmen. Wer gerne zu Süßigkeiten oder Knabbergebäck greift, sollte nichts offen herumstehen lassen, denn auch beim Essen gilt „aus den Augen, aus dem Sinn“.

Welche Lebensmittel bieten sich im Homeoffice besonders an, um konzentriert zu bleiben?

Wichtig für die Konzentration ist regelmäßig zu trinken. Daher am besten einen Krug Wasser vorbereiten. Für geschmackliche Abwechslung sorgen beispielsweise frisch gepresster Zitronensaft, Minze, Melisse oder Rosmarin. Um zwischendurch Energie zu tanken sind Obst und Gemüse oder ein Naturjoghurt mit frischen Früchten empfehlenswert. Auch eine Handvoll Nüsse liefert wertvolle Nährstoffe, doch Achtung, die kleinen Kraftpakete haben es auch kalorienmäßig in sich.

Was kann ich machen, um mein Immunsystem und das meiner Kinder zu stärken?

Unser körpereigenes Abwehrsystem stärken wir am besten mit einer bunten Ernährung. Bunt im Sinne von abwechslungsreich und im Sinne von natürlichen Farben, wie sie in gelben, orangen, roten und grünen Gemüsesorten und Früchten stecken. Die Farben selbst haben eine schützende Wirkung und weisen außerdem darauf hin, dass die betreffenden Obst- und Gemüsesorten einen Cocktail an immunstärkenden Vitaminen und Spurenelementen enthalten. Ich empfehle mit Karotten, Radieschen, Brokkoli und Co. bei jeder Mahlzeit Farbe auf den Teller zu bringen und mit reichlich frischen Kräutern zu würzen.

Kann sich die seelische Belastung während der Pandemie auch auf das Essverhalten auswirken?

Viele Menschen kennen das, dass sie Kummer, Stress und Belastungen vermehrt zu Snacks und Getränken greifen lassen. Das hat u. a. damit zu tun, dass das Belohnungssystem im Gehirn, das unsere Emotionen steuert, durch Essen aktiviert wird und sich während des Essens und meist auch danach ein zufriedenes und glückliches Gefühl einstellt. So haben die meisten von uns gelernt, sich mit Süßem, einem Glas Wein oder anderen geliebten Speisen und Getränken zu belohnen und zu beruhigen. Wer erkennt, dass Belastungen die Esslust steigern, sollte sich Alternativen überlegen. Auch ein Spaziergang oder ein Telefongespräch mit Freunden kann beruhigend und entspannend wirken.

Kochmuffel greifen in diesen Zeiten eher zu Fertiggerichten. Kann man sich das erlauben?

Damit Fertiggerichte Anklang finden, brauchen sie reichlich Geschmacksträger wie Fett, Zucker und Salz. Und je länger die Zutatenliste und die Haltbarkeit sind, desto geringer ist in der Regel der Gehalt an Vitaminen und anderen hochwertigen Nährstoffen. Wer zu Fertiggerichten greift, sollte diese daher möglichst oft durch frische Zutaten ergänzen. Noch eine Extraportion Gemüse auf die Pizza und dazu ein frischer Salat lohnen sich für Gesundheit und starke Abwehrkräfte auf jeden Fall.

Was halten Sie von Hamsterkäufen?

Ein paar Grundzutaten in der Küche vorrätig zu haben, halte ich für sinnvoll. Doch Hamsterkäufe bergen ein großes Risiko, zu lange haltbaren Fertigprodukten zu greifen und letztendlich landen viele nicht verzehrte Lebensmittel im Müll. Ich bin daher sehr froh, dass wir unsere Versorgung mit Lebensmitteln als sehr stabil erleben und laufend frische Lebensmittel in bester Qualität verfügbar sind.

Ostern steht vor der Tür und damit auch üppige Menüs. Ist Genießen erlaubt?

Genießen ist immer erlaubt und wirkt entspannend. Und wer bewusst auf die Signale des eigenen Körpers achtet, kann recht gut feststellen, was und wie viel tatsächlich guttut. Ich halte es für wertvoll, wenn wir unsere Osterrituale jetzt eben im kleinsten Kreis mit unserer Familie pflegen. Denn viele von uns haben nun ein bisschen mehr Zeit und erleben, dass gemeinsam zu kochen und zu backen Spaß macht und dass die Familienmahlzeiten Beziehungen stärken.