Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Resilienz

Vorarlberg / 24.04.2020 • 06:30 Uhr

Unter Resilienz versteht man die Fähigkeit, Krisenzeiten durch eigene Widerstandskräfte zu bewältigen. Der Begriff wird nicht nur auf den einzelnen Menschen, sondern auch auf Wirtschaft und Gesellschaft angewendet.

Die Corona-Pandemie hat das Interesse an der Resilienz geweckt. Plötzlich wissen Unternehmen, dass es gefährlich sein kann, seine gesamte Produktion an einem bestimmten Standort zu konzentrieren, weil ein Ausfall dieses Standortes im schlimmsten Fall existenzbedrohend sein kann. In Europa erkennen die Staaten beispielsweise, dass die Auslagerung der Herstellung von Medikamenten in andere Kontinente für die Bürgerinnen und Bürger lebensgefährlich sein kann, wenn Transportwege abgeschnitten sind oder die Produktion stillgelegt ist.

„Die kleinräumigen Strukturen Vorarlbergs, von den Gemeinden über die Bezirke, sind ein Vorteil.“

Die Resilienz unserer staatlichen Infrastruktur ist in den letzten Jahren wenig beachtet worden. Nur ein einziges Mal wird der Begriff in einem Prüfbericht des Rechnungshofes verwendet. Dafür ist in 545 Berichten von „Effizienz“ die Rede, 260 Treffer liefert die Suche nach „Zusammenlegung“ und 79 Mal findet man das Wort „Fusion“. Das ist ein Indiz dafür, wie stark unsere Sichtweise in den vergangenen Jahren davon geprägt war, auch staatliche Dienstleistungen auf möglichst wenige Standorte zu konzentrieren.

Die Corona-Krise könnte der Politik daher eine neue Sichtweise auf Resilienz eröffnen:
1. Selbstversorgung, auch Autarkie genannt, ist kein veraltetes Konzept, sondern hochaktuell. Wir sind gegenwärtig froh, dass sich Österreich bis zu einem gewissen Ausmaß selbst versorgen kann.
2. Die Zusammenlegung von Gesundheitseinrichtungen, vor allem von Spitälern, zu immer größeren Einheiten, kann in normalen Zeiten gewisse Einsparungen mit sich bringen. In Krisenzeiten ist es dagegen höchst willkommen, genügend Spitäler und Spitalsbetten zur Verfügung zu haben. Das zeigt sich gerade derzeit.
3. Es ist nicht schlecht, wenn die Versorgung und Pflege der alten Menschen in vergleichsweise kleinen, dadurch auch teureren Einrichtungen erfolgt. Sie sind nicht nur übersichtlicher und menschlicher. Wenn sich in diesen Häusern das Virus ausbreitet, kann es dort eher unter Kontrolle gehalten werden als in großen Heimen.
4. Die kleinräumigen Strukturen Vorarlbergs, von den Gemeinden über die Bezirke, sind ein Vorteil. Sie ermöglichen im Krisenfall rasches Reagieren. Außerdem ist der soziale Zusammenhalt in kleinen Gemeinschaften besser.

Vielleicht wird sich sogar einmal ein Prüfbericht des Rechnungshofes oder des Landes-Rechnungshofes mit der Resilienz unseres Landes auseinandersetzen?

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.