Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Hier geht es nicht um Lunacek

Vorarlberg / 16.05.2020 • 07:29 Uhr

Die politische Auseinandersetzung beschränkt sich ganz gerne auf handelnde Personen. Die nachvollziehbare Wut von Lukas Resetarits und vielen anderen Kulturschaffenden richtete sich in den vergangenen Wochen beispielsweise eher nur gegen die zuständige Staatssekretärin Ulrike Lunacek: Letzten Endes war quasi sie allein verantwortlich dafür, dass niemand auftreten durfte und damit Geld verdienen konnte; und dass es viel zu wenig Hilfen gab.

„Künstler sind bedeutungslos. Fußballer sind wichtiger. Oder Formel-1-Fahrer.“

Gestern ist die Grüne zurückgetreten. Die Abschiedsrede könnte all ihren Kritikerinnen und Kritikern zu denken geben: Sie erklärte, dass es bisher nicht möglich gewesen sei, finanzielle Unterstützungen zu fixieren. Schlussendlich berichtete sie aber auch, ein beschämendes Almosen von 500 Euro verdoppelt zu haben. Sprich: Sie hat getan, was sie konnte. Mehr war ihr als Staatssekretärin nicht möglich. Dafür hätte sie ihren Minister, Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler, gebraucht. Und natürlich auch das Einverständnis von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Grundsätzlichen und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) im Konkreten.

Nur eine Schachfigur

Ganz brutal formuliert ist Lunacek nur eine Schachfigur gewesen. Sie hat zwar unglücklich agiert, das ändert aber nichts an dem Befund. Anders ausgedrückt: Hier geht es nicht um die 62-Jährige, sondern darum, wie die gesamte Regierungspolitik angelegt ist. Künstler sind bedeutungslos. Fußballer sind wichtiger. Oder Formel-1-Fahrer: Sie dürfen sich schon länger auf einen baldigen Saisonstart in Spielberg einstellen.

Für die Grünen ist das eine selbstverschuldete Katastrophe, die sich noch ausweiten könnte: Sie haben jetzt eine Rechnung dafür bekommen, dass sie sich türkiser Hegemonie unterworfen haben. Die Kulturszene ist wohl eher mitte-links und durchaus grünen-affin. So aber nicht mehr. Werner Kogler und Co. haben für die Regierungsbeteiligung fast alles aufgegeben, um vielleicht ein bisschen Ökologisierung durchbringen zu können. Das rächt sich.

Grüne schauen weg

Die Grünen zeigen nicht nur in der Kulturpolitik nicht auf. Sie schauen auch in der Flüchtlings-, in der Europapolitik und in vielen anderen Bereichen weg. Ja, sie gehen sogar noch einen Schritt weiter: Sie haben auch die Wertschätzung für den Parlamentarismus über Bord geworfen und bezeichnen ein Bundesratsveto schon einmal als „zynischen Sabotageakt“ (Klubobfrau Sigrid Maurer). Das ist nicht mehr grün.

Cui bono? Wem nützt das? Die ÖVP von Sebastian Kurz darf sich insgeheim freuen: Nachdem die SPÖ an ihrer Seite implodiert ist; und nachdem sich die FPÖ vor genau einem Jahr selbst in die Luft gesprengt hat, beginnen nun auch die Grünen zu stolpern.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.