Geringschätzung des Parlaments
Die Bundesregierung nützt die Krise dazu, sich noch mächtiger zu machen, als sie es in der Realverfassung ohnehin schon ist. Sie tut, was sie will. Wobei sie nicht immer nach bestem Wissen und Gewissen vorgeht. Ganz im Gegenteil, in entscheidenden Phasen pfeift sie auf Nachvollziehbarkeit genauso wie auf Expertenrat. So hat jetzt auch ein ranghoher Beamter des Gesundheitsministeriums bestätigt, dass die Angstmache vor Ostern, die dazu diente, weitere Beschränkungen zu verkünden, unbegründet war: Schon in der zweiten Märzhälfte sei klar geworden, dass die Spitäler nicht an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen würden.
Wie auch immer: Die neue Normalität des Regierens geht zulasten der demokratisch gewählten Volksvertretung, des Parlaments. Vor allem in budgetären Fragen.
Böses Erwachen
In der Jahrhundertkrise ist es gut, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) die Devise ausgegeben haben, so viel Geld wie nötig locker zu machen. Zumal bei den Betroffenen jedoch vieles nicht und nicht ankommt und fast jeden Tag noch ein Milliardenpaket geschnürt wird, muss man sich Sorgen machen: Wie wird das ausgehen? Wer soll das bezahlen? Die Kinder und Enkelkinder, wenn sie einmal groß sind? Ja, diesbezüglich wird es noch ein böses Erwachen geben, da darf man sich nichts vormachen lassen. Umso wichtiger wären parlamentarische Legitimation und Kontrolle von der ersten Stunde an. Geduldet von den Klubleuten der Koalition, August Wöginger (ÖVP) und Sigrid Maurer (Grüne), sieht Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) das jedoch etwas anders: Diese Woche wollte er die Abgeordneten ein Budget 2020 absegnen lassen, das allen Ernstes eine fast schon prähistorische Wirklichkeit aus Vor-Corona-Zeiten abbildete. Begründung: Es sei nicht absehbar, was kommt. Stimmt. Von den Volksvertretern zu viel verlangt war jedoch, dass sie ihm einen Blankoscheck für zusätzliche Ausgaben in zweistelliger Milliardenhöhe ausstellen sollten. Damit hätten sie sich gleich ganz abmelden können, um das geschichtlich belastete Wort ausschalten zu umschreiben.
Nicht nur peinlich
Alles? Nein, die Geschichte endet in einer Art und Weise, die man nicht erfinden kann: Unter Druck wollte die Koalition die Budgetzahlen in letzter Minute nachbessern. Im entsprechenden Antrag fehlte jedoch die Anmerkung, dass die angegebenen Zahlen „in Millionen Euro“ gemeint sind. 102 Milliarden Euro blieben damit schlanke 102.000 Euro. Ein Fehler, der grundsätzlich peinlich, menschlich und verzeihlich ist. Unter den gegebenen Umständen steht die Schlamperei jedoch eher für die Geringschätzung des Parlaments.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.