Sparsame Vier
Der frühere italienische Ministerpräsident Enrico Letta – ein international nicht mehr besonders bekannter Mann – hat unlängst einen bezeichnenden Tweet abgesetzt: Der Brexit tue ihm sehr leid, habe aber einen Vorteil: Nun werde es schneller zu einer Einigung über die Verteilung der Mittel zum Wiederaufbau Europas kommen.
Der Tweet verdeutlicht nicht nur, weshalb Leute wie Letta „begeisterte Europäer“ sind, sondern auch, was Europa mit den Briten verloren hat: Einen Mitgliedstaat mit kritischem Blick auf das Budget. Möglicherweise hat auch deshalb niemand ernsthaft den Versuch unternommen, die Briten in der EU zu behalten.
Die Rolle der Briten müssen jetzt kleinere und für sich allein betrachtet schwächere Staaten übernehmen. Neben Österreich sind es Dänemark, die Niederlande und Schweden. Sie bezeichnen sich selbst als die „sparsamen Vier“, der Rest Europas spricht geringschätzig von den „geizigen Vier“.
Nach den derzeitigen Plänen der EU-Kommission soll der „Wiederaufbau Europas“ durch verlorene Zuschüsse vor allem an Italien und Spanien in der Höhe von 500 Milliarden Euro und zusätzliche Kredite in der Höhe von 250 Millionen Euro erfolgen.
Dabei ist schon die Terminologie vom „Wiederaufbau“ falsch. Damit wird – bewusst – der Eindruck erweckt, als liege Europa in Trümmern, so wie das nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall war. Stattdessen haben wir eine schwere Wirtschaftskrise vor uns, die durch einen mehrwöchigen Stillstand hervorgerufen wurde, und ein vermutlich mehrere Jahre dauerndes schwieriges wirtschaftliches Umfeld. Das ist schlimm genug, aber kein Fall für einen „Wiederaufbau“. Das Geld soll übrigens durch neue Steuern finanziert werden, welche die EU einheben würde. Das wäre ein weiterer Schritt in die Richtung einer Entmündigung der Mitgliedstaaten.
Auch die sparsamen Vier erkennen, dass die Staaten massive Hilfen benötigen werden, um ihre Wirtschaft in Gang zu setzen. Sie wollen das Geld aber nicht verschenken, sondern als Kredite vergeben. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, solange die betroffenen Staaten an strenge Vorgaben gebunden und, wie dies in Griechenland während der Finanzkrise erfolgreich gehandhabt wurde, unter internationale Aufsicht gestellt werden.
Weshalb dagegen die österreichischen Steuerzahler Staaten für ihr schlechtes Gesundheitssystem und teilweise desaströses Management der Corona-Krise belohnen sollen, ist unerfindlich.
„Die Rolle der Briten müssen jetzt kleinere und für sich allein betrachtet schwächere Staaten übernehmen.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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