Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Alles außer Rosen

Vorarlberg / 14.07.2020 • 06:00 Uhr

Was machst du da, fragt Krüger. Es ist eine blöde Frage, denn das sieht man ja: Ich stehe in meinem Beet und fotografiere mein Unkraut. Neues Unkraut. Seit der letzten Kolumne, in der ich noch im Internet nach „Unkraut gelb blühend“ suchte, hat sich einiges getan. Erstens mehr Unkraut, zweitens: neue App. Eine Kollegin hat eine Pflanzenerkennungsapp empfohlen, und im Unterschied zu jener, die meine Freundin Hansi am Handy hat, ist „PlantNet“ gratis: Man fotografiert damit die unbekannte Pflanze und die App sagt einem, was das ist. Praktisch.

„Der Krüger sagt, das Fahrrad hat hinten zu wenig Luft, ich sage, die Pumpe hängt rechts am Haken.“

Krüger sagt, so ihm langts, das ist ihm zu fad, mir beim Grünzeugfotografieren zuzuschauen. Ich sage: Krüger, sei nicht immer so gschaftig, leg dich in die Hängematte, nimm dir ein Buch, chill eine Runde. Aber der Krüger ist nicht gut im Entspannen. Er sagt, er nimmt jetzt mein Elektrofahrrad und radelt hinauf zu den Ederers. Die Ederers wohnen drei Kilometer entfernt, zehn Kurven durch einen Wald und eine gestreifte Felderlandschaft mit herrlicher Aussicht. Ich sage, Krüger, das ist eine tolle Idee, leider geht das gerade nicht. Der Krüger ist schon dabei, das Fahrrad aus dem Schuppen zu fädeln: Warum nicht? Ich sage, weil die Ederer mir gerade gewhatsappt hat, dass sie schon seit vorgestern auf einen Corona-Tester warten; der Ederer hatte Symptome, aber es kommt niemand, und jetzt müssen sie in Quarantäne bleiben, obwohl der Ederer nun keine Symptome mehr hat. Ah, okay, sagt der Krüger, und dass er dann in den Ort radelt und ein bisschen Bier kauft, und Salat, weil meinen schneckenzerfressenen Frisée isst er sicher nicht. Dafür habe ich Verständnis, wenn ich mir den Salat, soweit er unter dem Unkraut zu finden ist, so anschaue. Der Krüger sagt, das Fahrrad hat hinten zu wenig Luft, ich sage, die Pumpe hängt rechts am Haken. Der Krüger holt die Pumpe und steht dann unschlüssig vor dem Fahrrad.

Was, Krüger, sage ich, und Krüger sagt, er weiß leider nicht, wie das geht. Ich steige seufzend aus meinem Beet und zeige ihm, wie er die Ventilkappe abschrauben muss und die kleine Schraube darunter öffnen. Aha, sagt der Krüger, während ich schon wieder Blüten mit meiner neuen App fotografiere.

Die App erkennt nicht nur all mein Unkraut, sondern alles, was in meiner Blumenwiese wächst: Borretsch, Feinstrahl, Schafgarbe, Bocksbärte, Ochsenzungen (Blumen sind erstaunlich oft nach Tieren benannt, fällt mir auf). Nur eines kann sie gar nicht: Rosen. Denn sowohl die Getrude Jekyll, die de Resht, die Ghislaine de Feligonde als auch jede einzelne andere Rose in meinem Rosengarten wird als „Essig-Rose“ identifiziert. Da kann ich ja gleich den Krüger fragen. Aber sonst: empfehle ich.

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.