Und der Himmel ist auch um neun noch hell
Den ersten Teil der Ferien haben wir schon absolviert. Wir waren im Ländle. Schön wars und herzerwärmend, endlich wieder mal die ganze Herkunftsfamilie, nach der langen Corona-Pause, idyllische, fröhliche Sommerabende auf der Veranda, Geschichten aus der Zeit, in der man sich nicht gesehen hat, die schwer vermisste Brätnockerlsuppe von der Mama. Und: Viva la Frutz! Der Hund und ich sind die Frutz rauf und runter gelaufen, mit und ohne Schwestern (mit Schwester wesentlich schneller, eh klar), und wir wären nun soweit fit für die Wiener Wandernadel.
„Jetzt sind wir wieder zurück und überlegen, was wir mit dem Rest des Sommers machen.“
Der durchschnittliche Vorarlberger lacht hier und sagt, was soll denn das sein, eine Wiener Wandernadel, und ich sage, lach du nur, es gibt sogar zwei, eine silberne und eine goldene. Denn Wien hat vielleicht keine Berge in dem Sinn, wie das Ländle Berge hat, dafür sehr ansehnliche, idyllische und glücklicherweise überaus fruchtbare Weinberge. Und Wanderwege gibt es in Wien durchaus: insgesamt 240 Kilometer innerhalb der Stadtgrenze, aufgeteilt in elf Abschnitte, die Stadtwanderwege. Und wer mit dem Stempel-Mäppchen beweisen kann, dass sieben davon komplett begangen wurden, bekommt im Rathaus die Goldene Wiener Wandernadel überreicht. Die silberne gibts schon für drei Stempel, das absolvieren am Berg geeichte Vorarlberger wahrscheinlich an einem Wochenende. (Das wär doch mal was: nach Wien fahren zum Wandern.)
Jetzt sind wir wieder zurück und überlegen, was wir mit dem Rest des Sommers machen. Wir wollten nach Kroatien, endlich wieder mal das Meer sehen. Ich war schon so lange nicht mehr am Meer, und deswegen war das auch schon lange gebucht, in der finstersten, kältesten Winterzeit, an einem dieser Tage wo man denkt: Dieser Winter hört nie auf. Es wird nie wieder heller werden, nie wieder wärmer. (An diese Tage denke ich jetzt, wenn ich abends ohne Jacke im Freien sitze, glücklich, und der Himmel ist auch um neun noch hell. Sommer, möge er noch lange dauern.) An so einem Tag suchten wir uns einen Ort auf einer sonnenbestrahlten Insel aus, einfache Appartements mit Blick aufs Meer.
Und jetzt… Jetzt trauen wir uns nicht. Eine lange Fahrt durch zwei Länder, über zwei Grenzen, und überall neue und wieder mehr Corona-Fälle, und jeden Tag ändert sich was. Was ist, wenn man zur Rückreise plötzlich einen Test braucht? Oder man auf einmal doch in Quarantäne muss, wie jetzt die von Spanien heimkehrenden Briten? Was machen wir jetzt?
Wir haben den Urlaub auf der kroatischen Insel storniert, mit Novemberregen im Herzen. Vielleicht nächstes Jahr. Heuer gehen wir eben stattdessen stadt- und wald- und flusswandern; ist auch sehr schön.
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.
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