Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Kopflose Hektik

Vorarlberg / 30.07.2020 • 20:02 Uhr

Die neue „Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz mit der die Verordnung über die Einreise nach Österreich in Zusammenhang mit der Eindämmung von SARS-CoV-2 geändert wird“ ist eine Herausforderung. Einer der vielen Schachtelsätze verliert sich sogar im grammatikalischen und sprachlichen Nirwana. Eine unverständliche Norm. Unbegreiflich, wie so etwas in das Bundesgesetzblatt gelangen konnte.

Das ist noch ein eher harmloses Beispiel für die legistischen Fehlschläge der letzten Zeit. Bekanntlich hat der Verfassungsgerichtshof das Verbot des Betretens öffentlicher Plätze aus der Zeit des „Lockdowns“ aufgehoben, weil es zu weitläufig gefasst war. Als Folge davon ist nun auch das Abstandhalten juristisch nicht mehr zu retten. Der Gesundheitsminister hat bereits aufgegeben, die Verordnung wird nicht mehr vollzogen.

Unter der Annahme, dass die aufgehobenen Vorschriften einen medizinischen Sinn hatten, sind die Folgen dieser juristischen Fehlleistung durchaus gravierend. Wenn die Bundesregierung im Herbst an die Sanierung ihres Regelungswerks schreiten will, wird sich weisen, ob die neuen Vorschriften dann bei der Bevölkerung und der Exekutive Beachtung finden werden. Dabei hat der Verfassungsgerichtshof an den gesetzlichen Grundlagen keine Bedenken geäußert. Die Verfassung steht all diesen Maßnahmen prinzipiell nicht entgegen, es ist die legistische Umsetzung, die völlig misslungen ist. Nicht zu Unrecht hat VfGH-Präsident Grabenwarter unlängst von einer Krise der Verwaltung gesprochen.

Der Gesundheitsminister will nun für Abhilfe sorgen und den juristischen Apparat ausbauen. Außerdem soll besser mit dem im Bundeskanzleramt angesiedelten Verfassungsdienst kooperiert werden. Das mag ein Ansatz sein, das strukturelle Problem dürfte woanders liegen: Die Formulierung von Rechtsnormen erfordert eine enge Kooperation gut ausgebildeter Juristen mit den Fachleuten in den Ministerien oder den Ämtern der Landesregierungen. Nur dann wissen die Juristen, was der Zweck ihrer Regelungen sein soll und ob diese in der Praxis funktionieren können.

Juristen, die offenbar nur die Anweisungen aus der letzten Pressekonferenz oder die Äußerungen ihrer Chefs in ZiB2-Interviews unter enormem Zeitdruck umzusetzen haben, können weder ihre Expertise einbringen noch ein besonderes Verständnis für die Sache entwickeln. Manchmal haben sie, wie die Einreiseverordnung zeigt, nicht einmal Zeit, ihre eilig in die Tastatur geklopften Texte nochmals durchzulesen. Trödeln ist in Krisenzeiten sicher nicht angebracht, aber kopflose Hektik bringt uns auch nicht weiter.

„Der Gesundheitsminister will nun für Abhilfe sorgen und den juristischen Apparat ausbauen.“

Peter Bussjäger

peter.bussjaeger@vn.at

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.