Lustenaus Paradies in Schweizer Hand

Vorarlberg / 04.08.2020 • 18:13 Uhr
Lustenaus Paradies in Schweizer Hand

Ein Fünftel der Gemeindefläche gehört den Eidgenossen. Es sind die Naturjuwele im Norden und Süden.

Lustenau Unter das „Lebe“ und „Hoi“ mischt sich an der südlichen und nördlichen Peripherie der Gemeinde seit Jahrhunderten ein munteres „Grüezi“. Dort wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, wo der geheimnisumwitterte Wachtelkönig, Kiebitze, Störche, Graureiher, Rehe, Fasane, Stieglitze und Krähen ein wahres Paradies vorfinden – dort ist Schweiz. 4,58 km2 der insgesamt 22,25 km2 großen Gemeindeflächen gehören den Ortsgemeinden Au, Widnau und Schmitter.

Ein Kuriosum

„Schweizer Flächenbesitz in diesem Ausmaß auf unserem Staatsgebiet wird natürlich als Kuriosum betrachtet. Aber das hat historische Ursachen“, weiß Historiker Dr. Wolfgang Scheffknecht (61). Die Entwicklung bis hin zur heutigen Situation ist sehr komplex. Dies hat vor allem mit den sich vermischenden Herrschaftsverhältnissen zu tun. So entstand am Ende des 9. Jahrhunderts der Königshof Lustenau, zu dem Gebiete beidseits des Rheins mit den Flächen von Au und Widnau gehörten. Später überschnitten sich die Landesinteressen der Reichsritter und nachmaligen Grafen von Hohenems mit der expandierenden Schweizer Eidgenossenschaft. Staatsgebiete in heutiger Form gab es noch lange nicht, der Rhein bildete keine Grenze. Das Territorium bestand aus zahlreichen Höfen. Jeder Hof hatte Anteil an der sogenannten Allmende, ein Gemeindeland, das von allen Mitgliedern der Gemeinde als gemeinsames Weideland genutzt werden durfte.

Die Ortsgemeinden

1593 erfolgte im Zuge der sich allmählich herausbildenden politischen Grenze des Rheins die Hofteilung. Die vorher zusammengehörenden Gemeinden Lustenau, Au und Widnau trennten sich in zwei Höfe. Allein die Allmende, die östlich des Rheins lag, ließ sich nicht einfach geografisch umlegen. Daher behielten die Schweizer auch auf dem späteren österreichischen Staatsgebiet ihre Nutzungs- und Besitzrechte, die sie bis heute als genossenschaftlich organisierte Ortsgemeinden gemeinsam wahrnehmen. Die Ortsgemeinde Au besitzt das Riedgebiet im Norden der Gemeinde, die Ortsgemeinden Widnau und Schmitter große Flächen im Süden Lustenaus. „Es ist dies eine im Land einmalige Konstellation, die aber zum Nutzen aller Beteiligten heute gut funktioniert. Das war im Verlauf der langen Geschichte nicht immer so“, betont Scheffknecht.

Großes Lob für die Nachbarn

Die gute Partnerschaft bestätigt auch Rudi Alge (59), Leiter der Umweltabteilung in der Gemeinde. „Aus ökologischer Sicht ist die Nutzung dieser Flächen durch Schweizer Landwirte ein Segen. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass Lustenau über einzigartige Großraumbiotope verfügt. So haben sie mehrere Gebiete aus der intensiven Landwirtschaft in eine extensive Bewirtschaftung überführt“, freut sich der Landschaftsökologe.

Gerne erwähnt Alge die Tatsache, dass acht Prozent der Lustenauer Gesamtfläche Biotope sind. „Das ist im dicht besiedelten Rheintal fast ein Wunder.“ Allein der Brutbestand von Bekassinen, Großer Brachvögel und Kiebitze entspricht dem der gesamten Schweiz. Die Grundeigentümer würden beim Mähen und beim Gelegeschutz sehr rücksichtsvoll umgehen, lobt Alge.

Freilich betreiben die Eidgenossen auch Landwirtschaft, wobei unter anderem Mais, Raps und Karotten angebaut wird.

„Die Nutzung dieser Flächen durch Schweizer Landwirte ist ein Segen.“