Schwurgericht: Pflegerin oder “Todesengel?”

Vorarlberg / 15.09.2020 • 12:50 Uhr
Schwurgericht: Pflegerin oder "Todesengel?"
Seit heute Vormittag muss sich die Angeklagte im Feldkircher Schwurgerichtssaal wegen eines angeblich von ihr begangenen hinterhältigen Verbrechens verantworten. ECKERT

Prozess gegen Niederländerin (51) um versuchten Giftmord hat begonnen.

Feldkirch Ein 82-jähriger pensionierter Landwirt im Bregenzerwald entkam Ende September vergangenen Jahres nur knapp dem Tod. Nachdem Bekannte den Betagten in seinem Haus besucht hatten, schien ihnen der Gesundheitszustand des Mannes so bedenklich, dass sie seine 51-jährige Untermieterin drängten, endlich einen Arzt zu holen. Doch die Niederländerin, seit 2014 bei dem Bregenzerwälder wohnhaft, hatte es nicht so eilig mit dem Hilfeholen. Der 82-Jährige wurde ins Spital gebracht. Der durch die verabreichten Medikamente eingeschränkte Hustenreflex hatte zur Folge, dass es bereits zu einer Lungenentzündung gekommen war.

Die Niederländerin, vom Hausherrn als Erbin eingesetzt, geriet unter Verdacht. Der Pensionist, der unter anderem über beachtlichen Grundbesitz von rund neun Hektar und zwei Häuser verfügt, hatte die Verdächtige und deren Sohn als ausschließliche Erben eingesetzt. Seine eigenen Verwandten wären leer ausgegangen.

Plädoyers

Der Strafprozessordnung gemäß beginnt auch dieses Schwurgerichtsverfahren mit den Eröffnungsplädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Anklagevertreterin Sarah Maria Haugeneder schildert zusammengefasst und übersichtlich, wie sich die Tat ihrer Ansicht nach zugetragen hat. Punkt für Punkt führt sie jene Beweisergebnisse an, die belegen sollen: Die 51-jährige Holländerin wollte an das Geld des Pensionisten und deshalb das Erlangen der nicht unbedeutsamen Erbschaft noch beschleunigen. “Das Opfer hat diese Vergiftung nur knapp überlebt”, so Haugeneder. Wäre der Mann in der Nacht nicht umgehend ins Krankenhaus eingeliefert worden, wäre er heute tot.

Verteidigung kontert

Verteidiger Manuel Dietrich hält sich knapp. “Ich beschränke mich auf das Wesentliche. Meine Mandantin war nicht die Pflegekraft des Pensionisten, es war gegenseitige Hilfe. Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie die Medikation den Mann erreicht haben könnte. Er selbst könnte die Arzneien aus Unbesonnenheit eingenommen oder eine andere Person könnte sie ihm verabreicht haben”, so Dietrich. “Dass meine Mandantin ihm diese Medikamente eingegeben hat, lässt sich nicht beweisen”, so Dietrich. Dass die Frau sich nach ihrem schweren Arbeitsunfall auf ein Erbe freute und auch eine Patientenverfügung aus dem Internet besorgte, sei keine Straftat und auch nicht verwerflich. Einzig und allein die Frage, ob die Beschuldigte den Mann habe umbringen wollen, sei entscheidend. Die Angeklagte selbst bekennt sich nicht schuldig.

Angeklagte: „Wollte Suizid“

Am Vormittag hat die Niederländerin Gelegenheit, ihre Version der Geschichte zu erzählen. Als Erstes kommt das Thema zur Sprache, warum sie nach tödlichen Medikamenten googelte. Noch dazu nach solchen, die nicht nachweisbar sind. “Weil ich mich selbst töten wollte. Und es sollte nach einem natürlichen Tod aussehen, weil sonst meine Lebensversicherung nicht zahlt”, erklärt die Beschuldigte. Andererseits räumt sie ein, dass sie nach Südafrika wollte, um ihren Lebensgefährten zu besuchen. Geld hatte sie zwar keines, die Koffer waren allerdings schon gepackt. “Wir hatten gemeinsame Pläne”, gesteht sie.