Eine kindernärrische Maschinistin

Vorarlberg / 24.09.2020 • 11:00 Uhr
Eine kindernärrische Maschinistin
Anni Kaufmann am Maschinistenpult der Karrenseilbahn Dornbirn. Die 54-Jährige sorgt dafür, dass die Bahn reibungslos läuft. VN/OLIVER LERCH

Anni Kaufmann (54) wäre gerne Säuglingsschwester geworden. Aber das Schicksal wollte es anders. Heute übt die Dornbirnerin einen Männerberuf aus.

Dornbirn Anni Kaufmann wusste bereits als Kind, wofür sie geboren worden war. Sie wollte einmal einen Beruf ergreifen, der sie mit Babys und Kindern zusammenbringen würde. „Ich habe gefühlt, dass das meine Bestimmung ist.“ Die kleine Anni suchte den Kontakt zu Kindern. „Ich habe auf die Nachbarskinder aufgepasst und ihnen die Hausaufgaben und die Handarbeiten gemacht.“ All dies tat Anni mit Herzblut. Sie fand darin ihre Erfüllung.

Nach der Ausschulung war für sie klar, was sie werden wollte: Säuglingsschwester. Auf der Wochenstation im Spital Dornbirn schnupperte sie ein paar Tage in den Beruf hinein. Dort sah man, dass Anni mit den Kleinen gut umgehen konnte. „Die Schwester bemerkte, dass ich die Babys beruhigen und sie wickeln konnte.“ Sie wollte Annis Mutter davon überzeugen, dass ihre Tochter für diesen Beruf bestens geeignet ist. „Die Schwester kam sogar zu uns ins Gütle und sprach mit meiner Mutter.“ Doch diese blieb bei ihrer starren Haltung. „Du gehst in die Fabrik arbeiten“, sagte sie nach dem Gespräch zu ihrer Tochter und zerstörte damit gnadenlos den Traum des jungen Mädchens. Anni weiß noch, wie bitterlich sie damals weinte. 

“Die Arbeit in der Fabrik war eintönig. Ich fühlte mich wie eine Maschine, nicht wie ein Mensch.”

Anni Kaufmann, Maschinistin

In der Textilfabrik fühlte sich Anni nicht wohl. “Das war nicht mein Leben. Es war Stress. Ich musste in der Spinnerei Akkord arbeiten.” Dreieinhalb Jahre hielt sie es dort aus. “Danach landete ich wieder in einer Fabrik, weil ich nichts gelernt hatte.” Jetzt musste sie Tennisschläger kitten. “Es war eine eintönige Arbeit. Ich fühlte mich wie eine Maschine, nicht wie ein Mensch.” Nach zweieinhalb Jahren zog sie die Reißleine.

Ihre Jobs danach: Aushilfskraft in einem Café, Regalbetreuerin in einem Supermarkt, Kinderbetreuerin in einem Fitnessstudio, Mitarbeiterin in einer Kantine, Verkäuferin in einem Schuhgeschäft, Reinigungsfachkraft in einem Café. “Ohne Ausbildung bist du nur Hilfsarbeiter und immer der Zweite”, kommentiert die Dornbirnerin ihren beruflichen Werdegang bis zum Jahr 2002.

Als Jugendliche Fahrräder repariert

Als Anni im Jahr 2002 bei den Skiliften Bödele zu arbeiten begann, läutete das beruflich einen neue, bessere Phase für sie ein. “Ab da begann mein zweites Leben.” Ihr Chef bemerkte ihr technisches Können, als sie bei der Revision der Lifte mithalf. “Er drängte darauf, dass ich die Ausbildung zur Maschinistin mache.” Anni, die als Jugendliche ganz selbstverständlich Nähmaschinen, Fahrräder und Mofas reparierte, war im Ausbildungslehrgang die einzige Frau. “Es saßen nur Männer im Kurs. Einer von ihnen sagte: “Was will den die da, die soll besser nach Hause kochen gehen.'” Aber der Maschinistin gelang es, sich Respekt zu verschaffen, auch an ihrer Arbeitsstätte. “Anfangs akzeptierten mich nicht alle Kollegen. Aber der Chef stand voll hinter mir.”

Anni, die als Maschinistin dafür sorgt, dass die Bahn reibungslos läuft, mag ihren Job bei den Dornbirner Seilbahnen, auch weil er sie mit Menschen zusammenbringt. Wenn sie Schulklassen oder Kindergartengruppen befördern kann, wird ihre Liebe zu Kindern wachgerufen. Dann hüpft ihr Herz vor Freude.

Hinter der 54-Jährigen liegt ein arbeitsreiches Leben. Obwohl Anni drei Kindern das Leben schenkte, war sie immer berufstätig. Möglich war das, weil ihre Mutter auf den Nachwuchs aufpasste. Die Kinder, so sagt Anni, “waren Geschenke an mich”. Mit dem Mutterwerden erfüllte sich für sie ein Traum. “Das Pöppala und Schesala war schön.” Dass sie ihre Bestimmung nicht leben und Säuglingsschwester werden durfte, bedauert Anni heute noch. “Es ist wie eine Wunde.”

Anni Kaufmann

geboren 9. März 1966 in Dornbirn

Wohnort Dornbirn

Familie verheiratet, drei Kinder, zwei Enkel

Hobbys Wandern, Häkeln, Stricken