Duracell-Ritsch
Am heutigen Wahltag ist offenbar geworden, wie sicher sich die Vorarlberger Volkspartei all die Jahre war. Zu sicher.
So hat es die ÖVP verpasst, wesentliche Protagonisten der schwarzen Kommunalpolitik im richtigen Moment abzulösen. Diese unangenehmen Entscheidung haben heute die Wählerinnen und Wähler der Parteileitung weithin sichtbar abgenommen. Niemand ist auf Lebenszeit als Bürgermeister gewählt oder fix im Amt, nur weil es dieses schon 20 Jahre ausübt. Gewählt wird man nicht aus Dankbarkeit für die Vergangenheit, sondern aus Hoffnung für die Zukunft.
Die Vorarlberger Volkspartei hat am Wahlsonntag ihren schwärzesten Tag seit dem Verlust der absoluten Mehrheit 2014 erlebt.
„Mir geht es gesundheitlich nicht gut. Ich schlucke täglich Morphium, damit ich überhaupt sitzen, stehen und laufen kann.” Michael Ritsch sagte mir diesen Satz am Rande eines Interviews, vor exakt vier Jahren, im September 2016 war das. Damals musste er sich krankheitsbedingt zeitweise aus der Politik zurückziehen, war stark abgemagert. Zwischen Tief- und Höhepunkt liegen nur vier Jahre: gestern hat der neue Bregenzer Bürgermeister Michael Ritsch den größten politischen Erfolg seines Lebens gefeiert.
Bei Michael Ritsch ist es gewiss nicht die Frische, die ihn ins Amt katapultiert hat. Es ist die Fähigkeit, jedes Mal auch nach herbsten Niederlagen ein neuer Michael Ritsch zu sein, der so frisch wirkt, als gäbe es ihn erst seit gestern. Dabei hat er Markus Linhart schon vor 15 Jahren in eine Stichwahl gezwungen und somit insgesamt fünf Wahlgänge gegen Linhart verloren, all die verlorenen Wahlen auf Landesebene nicht berücksichtigt. Und nun gelingt Ritsch mit der Ausdauer eines Duracell-Hasen sein spätes Meisterstück, er eint die Opposition. Natürlich spielte auch eine erhebliche Rolle, dass der Unmut in der Landeshauptstadt zwischenzeitlich derart angewachsen ist, dass die Bregenzer ihren Langzeitbürgermeister Markus Linhart abgewählt haben. Mit 39 kam er ins Amt. Jetzt, mit 60 ist Schluss.
Einziger Lichtblick für die ÖVP – und Prototyp für zukünftige Konstellationen – war Bludenz, wo die Schwarzen mit dem jungen Neo-Politiker Simon Tschann gegen den starken Gegenkandidaten Mario Leiter reüssieren konnten. Der Feldkircher Wolfgang Matt fuhr einen ungefährdeten Pflichtsieg ein. Es war Matts erste Wahl an der Spitze und vieles spricht dafür, dass es auch seine letzte war: der Bürgermeister feierte vor zehn Tagen seinen 65er. Er ist nach der Berchtold-Ära in der Montfortstadt ein Mann des Übergangs, der das was nach ihm kommt vorbereiten soll.
Mit dem ersten grünen Bürgermeister Vorarlbergs in Lochau, dem fulminanten Wahlsieg von SPÖ-Landeschef Martin Staudinger in Hard und dem Ausscheren des neuen Lecher Bürgermeisters Stefan Jochum aus der bisherigen Rangordnung ist klar, dass es Vorarlberg längst nicht mehr überall das passiert, was die ÖVP gern möchte.
Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.
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