Covid-19: “Belastbarkeitsgrenze für Lehrer schon fast erreicht”

Vorarlberg / 05.10.2020 • 14:50 Uhr
Covid-19: "Belastbarkeitsgrenze für Lehrer schon fast erreicht"

Lehrergewerkschafterin Alexandra Loser über aktuelle und künftige Herausforderungen für Pädagogen.

Bregenz Corona bestimmt wie für so viele andere Menschen auch das Leben der Lehrer. Anlässlich des montägigen Weltlehrertages wünscht sich Lehrergewerkschafterin Alexandra Loser in dieser Situation mehr Unterstützung für ihre Kollegen und beklagt die aufgezwungene Distanz zu den Schülern.

Alexandra Loser ist seit diesem Sommer die neue Chefin der Pflichtschullehrergewerkschaft. <span class="copyright">VN/HÄMMERLE</span>
Alexandra Loser ist seit diesem Sommer die neue Chefin der Pflichtschullehrergewerkschaft. VN/HÄMMERLE

Inwiefern hat der Weltlehrertag für Sie eine besondere Bedeutung?

Es ist ganz einfach der Tag für die Lehrer auf der ganzen Welt und dient zur Bewusstmachung der Aufgaben des schönsten Berufes, den es gibt. Den Weltlehrertag gibt es übrigens seit 1994.

Corona stellt auch den Schulbetrieb vor ganz spezielle Herausforderungen. Was ist in Ihren Augen die größte?

Die größte Herausforderung für uns Lehrer ist derzeit der Spagat zwischen Distanz und Nähe mit den Schülern, der uns aus Sicherheitsgründen aufgezwungen wird. Daraus resultiert eine ungewollte Kälte. Diese Distanz ist auch für die Lehrer-Lehrer- bzw. Schulleiter-Schulleiter-Kommunikation sehr belastend.

Sind Sie unter den gegebenen Umständen zufrieden mit dem Start ins neue Schuljahr?

Nein. Die administrative Belastung für die Schulen ist enorm und die Belastbarkeitsgrenze schon fast erreicht. Nur weil jede Schule ein Krisenteam hat, sind die Schulen auf diese Ausnahmesituation nicht besser vorbereitet. Das Problem ist: Die Informationen wechseln ständig. Es bräuchte eine administrative Entlastung beim Corona-Krisenmanagement durch die Kommunen, damit bei Auftreten eines Coronafalles nicht gleich der gesamte Unterrichtsbetrieb in der betroffenen Klasse zusammenbricht. Positiv finde ich die Rückkehr zum Präsenzunterricht. Das ist wichtig für die soziale Kompetenz der Schüler und für den Lernerfolg.

Die Lehrer haben sich am Beginn der Coronakrise mit ihrem Einsatz sehr viel Anerkennung verschafft, wegen des öffentlich ausgetragenen Streits um die Aussetzung der autonomen Tage und der Diskussion um die pauschale Weiterbezahlung aller Überstunden aber wieder Kredit eingebüßt. Sehen Sie das auch so?

Ich sehe das nicht so. Es gab da lediglich Hinweise auf die gesetzliche Lage. Die neue „Freiwilligkeit“ birgt viele Risiken, als Lehrer macht man ja eh alles zum Wohle der Schüler. Autonome Tage sind keine Urlaubstage. Sie werden oft für Aktivitäten wie Direktorstage oder Elternsprechtage bzw. Kinder-Eltern-Lehrergespräche verwendet.

Man wirft vielen Lehrern oft vor, in ihrer eigenen, behüteten und wirtschaftlich abgesicherten Welt zu leben und sich nicht in die Welt von Menschen hineinversetzen zu können, die gerade in Zeiten wie diesen existenzielle Sorgen haben.

Stimmt so nicht. Die Lehrerinnen und Lehrer wissen, wie es „in der Welt da draußen“ zugeht. Sie sehen es täglich bei ihren Schülern. Sie nehmen wahr, wie groß die Ängste sind. Jobverlust und Armut sind Themen, welche die Kinder mit in die Schule bringen.

Wie beurteilen Sie die Bildungspolitik der aktuellen Regierung?

Da weht ein eiskalter Wind. Vorschläge werden abgeschmettert. Es wird Schulpolitik gemacht, als ob es Corona nicht geben würde.

Was sind Ihre Wünsche als Lehrergewerkschafterin für die kommenden Jahre?

Es sollten zusätzliche Ressourcen bereitgestellt werden, um die Schule und die Kinder zukunftsfit zu machen. Kürzungen bei Stundenkontingenten gehören gestoppt. Das Land Vorarlberg muss das Bildungsruder in die Hand nehmen und eigene finanzielle Zuschüsse leisten – auf den Bund darf man nicht warten. Es ist Zeit für die Umsetzung jahrelanger Forderungen: zusätzliches Unterstützungspersonal, administrative Entlastung, Doppelbesetzungen in Volksschulklassen, ein Ende des Bürokratiewahnsinns.

Wie haben Sie in Ihren neuen Job als Lehrergewerkschafterin hineingefunden?

Der Start in meine neue Aufgabe ist mir gut gelungen. Es macht mir viel Spaß. Natürlich gibt es täglich neue Herausforderungen. Aber so bleibt es spannend.