Moria sorgt für dicke Luft in der Landesregierung

Grünen-Chef Rauch attackiert den Koalitionspartner scharf.
Bregenz Wenn es dunkel wird, bilden sich ungewohnte Allianzen. In der Nacht auf Donnerstag schaffen es der Hohenemser Bürgermeister Dieter Egger (FPÖ) und der ehemalige Landesrat Erich Schwärzler (ÖVP), in die Wortmeldungen von Abgeordneten anderer Parteien. Neos-Abgeordneter Gerfried Thür untermauert seine Argumentation mit Zitaten Eggers, Grünen-Klubobmann Daniel Zadra richtet sich an Schwärzler: “Erich, du fehlst mir in Momenten wie diesen.” Als der Landtag am Mittwoch zwischen 23 Uhr und 00.15 Uhr über die Aufnahme von 50 Kindern und Familien diskutiert, wird es emotional. Inklusive einem Grünen Parteichef, der bei seinem Koalitionspartner die Pakttreue vermisst.

Es sind die Neos, die dieses Thema auf das Tapet bringen. Thür fordert: “Kinderschutz darf nicht an unseren Landesgrenzen aufhören.” Er zitiert Christian Konrad und Dieter Egger, die sich beide für Hilfe aussprechen würden. Beim Antrag, 50 Menschen aufzunehmen, handle es sich um ein Signal, das Schwung in die Bundesregierung bringen soll. “Sie soll es den willigen Bundesländern erlauben, Familien und Kinder aufzunehmen.”

Die Grünen legen ihre geballte Mandatskraft in die Diskussion. Die Abgeordneten Bernhard Weber, Eva Hammerer, Nadine Kasper und Sandra Schoch treten ans Rednerpult. Den Auftakt der Grünen Armada macht aber Klubobmann Zadra. Er erinnert an Tausende Kinder, die unschuldig im Dreck von Moria hausen, an die Bibel, die Fluchtgeschichte von Jesus und den Satz: “Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.” Zadras Fazit: “Das soll kein Klamauk sein, sondern das sollte man ernst nehmen.”

Roland Frühstück ist an der Reihe. Der ÖVP-Klubobmann gesteht: “Das ist kein leichter Moment.” Es sei schwierig gewesen, in der kurzen Zeit innerhalb der ÖVP-Riege eine gemeinsame Position zu finden. ” Die Kinder hätten natürlich das Recht auf eine menschenwürdige Situation während des Verfahrens. Deshalb sei die Hilfe vor Ort das richtige Mittel. Jenen Bürgermeistern, die sagen, sie würden Menschen aus Moria aufnehmen, entgegnet er: “Sie können sie nicht nehmen. Aus Traiskirchen wäre kein Problem. Aber aus Moria geht nicht.”

FPÖ-Chef Christof Bitschi bemüht den Vergleich mit 2015. Damals habe man sich von Emotionen leiten lassen. Das soll sich nicht wiederholen. Jedes einzelne Schicksal sei dramatisch. In Afrika gebe es sicher Millionen solcher Schicksale. “Aber ist es die richtige Lösung zu sagen: Ja, wir nehmen alle auf? Ich glaube nicht”, fährt Bitschi fort.SPÖ-Abgeordneter Michael Ritsch appelliert an die ÖVP. Es sei schwer zu fassen, dass sich ÖVP-Abgeordnete schwer tun, ein Signal der Menschlichkeit nach Wien zu senden.

Landeshauptmann Markus Wallner erinnert Ritsch daran, dass es ein Unterschied ist, eine Willensbekundung abzugeben oder als Regierung etwas umsetzen zu müssen. Vorarlberg habe in der Flüchtlingskrise bisher gute Arbeit geleistet, viel getan und eine Verteilung auf alle Gemeinden geschafft. “Das war nicht nur Erich Schwärzler.” Niemand habe in dieser Frage die Moral gepachtet. “Österreich hat 120.000 Menschen aufgenommen, Vorarlberg 5000 davon.” Er richtet sich an den Regierungspartner: “Speziell von den Grünen, auch von denen die nicht dabei waren, müssen wir uns nicht vorhalten lassen, wir hätten unsozial oder nicht christlich sozial gehandelt.”

Nun tritt sein Regierungskollege Johannes Rauch in die Mitte. Im Gepäck: Scharfe Worte an den Koalitionspartner. Im Regierungsprogramm der schwarz-grünen Landesregierung steht, dass sie sich für eine “gerechte, faire und geordnete Verteilung der Kriegsflüchtlinge auf die ganze EU” einsetzt. Nun wolle die ÖVP dem Punkt nicht zustimmen. “Sie haben nicht einmal den Mut, dem eigenen Regierungsprogramm zuzustimmen”, poltert er. Und: “Am Ende des Tages ist man pakttreu und man traut sich das. Oder man traut sich das eben nicht. Und das enttäuscht mich.” Und: “Das finde ich wirklich beschämend.”

Es folgt die Abstimmung. Für die Aufnahme sind Grüne, SPÖ und Neos. Dagegen sind ÖVP und FPÖ. Für die gerechte Verteilung stimmt zudem ÖVP-Abgeordnete Heidi Schuster-Burda. Um 0.15 Uhr ist alles vorbei. Für Gesprächsbedarf ist auch am Tag danach gesorgt.