Hans-Jürgen Gasser: Sein langer Weg zum Akademiker

Vorarlberg / 20.10.2020 • 12:00 Uhr
Hans-Jürgen Gasser: Sein langer Weg zum Akademiker
Studienabbrecher Hans-Jürgen Gasser ist am Ziel seiner Träume angelangt. Morgen feiert er seine Sponsion zum Magister iuris.

Hans-Jürgen Gasser brach 1998 sein Jus-Studium ab. 16 Jahre später nahm er es wieder auf. Morgen feiert er seine Sponsion zum Magister iuris.

Bildstein Im Alter von sieben Jahren wollte Hans-Jürgen Gasser (48) Pfarrer werden. “Der hat’s fein, dachte ich mir. Der muss nur am Sonntag arbeiten, hat ein Haus, ein Auto und eine Köchin.” Als Gymnasiast kam er aber von diesem Berufswunsch ab, weil ihn das andere Geschlecht zu interessieren begann. Mit 18 wollte der Bildsteiner Aufdeckungsjournalist werden. “Günter Wallraff war mein Vorbild.” Gasser absolvierte deshalb in Graz einen zweijährigen Medienkunde-Lehrgang. “Parallel dazu habe ich Jus studiert.” Das Jura-Studium brach er im zweiten Studienabschnitt ab, “weil mir das Thema der Diplomarbeit überhaupt nicht lag”.

Der junge Mann begann 1991 in Graz Jura zu studieren.
Der junge Mann begann 1991 in Graz Jura zu studieren.

In der Folge verdingte er sich ein Jahr als Taxifahrer. “Ich wollte schnell Geld verdienen.” Dieser Mac-Job war keiner fürs Leben. “Ich ließ mich dann zum Vermögensberater ausbilden.” Im Jahr 2002 machte er sich – zusammen mit vier Kollegen – mit einer Vermögensberatung und Versicherung selbstständig. Der Betrieb ernährte ihn und seine Familie, die inzwischen fünfköpfig war. Nach dem Börsencrash im Jahr 2008 ging es jedoch mit dem Geschäft abwärts. Gasser musste sich schweren Herzens von der Firma trennen. Danach heuerte der dreifache Vater erfolgreich bei der Österreichischen Beamtenversicherung an.

Sein Verkaufstalent machte ihn schnell zu einem der besten Berater Österreichs. Gasser hatte Erfolg in seinem Beruf, die Arbeit machte ihm Spaß. “Dennoch nagte etwas an mir. Ich dachte mir: Du bist es dir selbst schuldig, dass du das Jus-Studium fertigmachst.” Fünf Prüfungen und die Diplomarbeit fehlten ihm noch zum Magister.

Hans-Jürgen Gasser mit seiner Frau und seinen drei Kindern.
Hans-Jürgen Gasser mit seiner Frau und seinen drei Kindern.

Immer dringlicher hörte er die innere Stimme sagen: “Mach das Studium fertig.”  In diesen Momenten musste Gasser an seinen Nachbarn Michael denken, der ein Top-Jurist war und das geschafft hatte, was er nicht geschafft hatte. “Michael fuhr einmal mit mir im Taxi mit. Er sagte, ich solle doch das Studium fertig machen. Dann müsste ich nicht Taxi fahren.” Auch die Wahrsagerin kam ihm dann in den Sinn, die ihm im Jahr 2005 auf den Kopf zugesagt hatte, dass es etwas in seinem Leben geben würde, das er nicht beendet hätte. “Sie riet mir, das abzuschließen.”

“Es war wie ein Befreiungsschlag. Seit ich das Studium beendet habe, bin ich total happy.”

Hans-Jürgen Gasser, Jurist

2014 ignorierte Gasser seine innere Stimme nicht mehr. Er nahm das Jus-Studium wieder auf. “Ich habe multimedial von zu Hause aus studiert. Vorlesungen konnte ich streamen.” So ließ sich das Studium mit seinem Fulltime-Job vereinbaren. Gelernt wurde im Urlaub und an den Wochenenden. Bis 2017 kam der Neo-Student gut voran. “Ich habe drei Prüfungen bestanden und die Diplomarbeit zum Thema Altersvorsorge in Form der Lebensversicherung geschrieben. Das ging mir leicht von der Hand.” Aber die vierte große Prüfung – Verwaltung – wurde ihm zum Stolperstein. “Ich bin drei Mal durchgeflogen. Beim vierten Anlauf dachte ich mir: ,Das ist mein letzter Versuch. Wenn ich es wieder nicht schaffe, breche ich das Studium ab. Dann soll es nicht sein, dass ich  es beende.”

Vorbild Churchill

Gasser ist keiner, der schnell aufgibt. Ihm ist Churchill ein Vorbild, der angesichts der Übermacht der Deutschen im Zweiten Weltkrieg ausrief: “Ich gebe nie, nie, nie, nie, ich gebe niemals auf.” Das Leben und der Beruf lehrten Gasser, dass es Phasen gibt, in denen es nicht so gut läuft und manchmal Ausdauer und Geduld vonnöten sind.

Am 31. Jänner 2020 bestand der Student, der 1991 sein Jus-Studium in Graz begonnen und es 1998 abgebrochen hatte, seine letzte Prüfung. Damit war Gasser am Ziel seiner Träume angelangt. “Es war wie ein Befreiungsschlag. Ich bin seither total happy.” Morgen feiert der 48-Jährige an der Uni Linz seine Sponsion zum Magister iuris. Dabei wird er auch die Abschlussrede der Absolventen halten.

Hans-Jürgen Gasser

geboren 5. August 1972 in Dornbirn

Wohnort Bildstein

Familie verheiratet, drei Kinder

Hobbys Pokern, Tischtennis