Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Corona-Kritiker

Vorarlberg / 22.10.2020 • 18:05 Uhr

Für den kleinen, aber lautstarken Kreis der Corona-Leugner ist die Krankheit eine Erfindung. Die leicht erträglichen Einschränkungen in der Verordnung des Gesundheitsministers und die ein bisschen strengeren Maßnahmen des Landeshauptmannes empfinden sie als ungeheuerlichen Eingriff in ihre persönliche Freiheit.

Ein etwas größerer Kreis von Menschen nimmt die Krankheit zwar ernster, erachtet die Maßnahmen aber als hoffnungslos übertrieben. Man könnte sie als Corona-Kritiker bezeichnen. Auch diverse politische Parteien samt ihren Gesundheitssprechern zählen dazu. Sie sind gefährlicher als die Corona-Leugner, weil ihre Anhängerschaft eine größere ist.

Corona-Kritiker empören sich über die Sperrstunde um 22 Uhr. Dass in immer mehr Städten und Regionen Europas die Gastronomiebetriebe mittlerweile überhaupt nicht mehr öffnen dürfen, interessiert sie nicht. Während die Corona-Leugner dementieren, dass es Paris oder Brüssel überhaupt gibt, argumentieren die Corona-Kritiker, dass Vorarlberg nicht Paris oder Brüssel ist. Deshalb sollten die Wirte nicht nur offenhalten dürfen, es brauche auch keine Sperrstunde um 22 Uhr.

Corona-Kritiker meinen, die frühe Sperrstunde zwinge die Menschen, zu Hause weiterzufeiern, wo die Ansteckungsgefahr eine viel höhere sei. Das ist zwar auch falsch, weil niemand feiern muss, aber tatsächlich werden Privatpartys von vielen Gesundheitsexperten als entscheidendes Problem bei der Pandemiebekämpfung betrachtet. Warum also nicht die frühe Sperrstunde beibehalten und darüber hinaus Privatpartys, wie etwa in Brüssel oder Amsterdam, wo sich nur noch kleine Grüppchen von Menschen treffen dürfen, verbieten? Was in Belgien und den Niederlanden, Staaten, die nicht weniger liberal als Vorarlberg sind, möglich ist, sollte daher auch bei uns erwogen werden. Schließlich gilt bei uns in gleicher Weise die Menschenrechtskonvention, auf die sich Corona-Leugner wie Corona-Kritiker so gerne berufen, und mit ihr der Anspruch eines jeden Menschen, dass der Staat sein Leben schützt.

Leider hat der Bundesgesetzgeber einmal mehr eine unglückliche Regelung getroffen, indem er vor wenigen Wochen ausgerechnet den privaten Bereich von den möglichen Beschränkungen ausgenommen hat. Man benötigt daher einigen juristischen Einfallsreichtum, wenn man ausufernde Privatpartys unterbinden will. In Vorarlberg wird dies erfreulicherweise trotzdem versucht. Besser wäre natürlich, wenn das Land bei Bedarf generell strengere Regelungen als der Bund einführen dürfte. Aber das wollen die Corona-Kritiker in diversen Parteien schon gar nicht und treten damit die von ihnen so beschworenen Menschenrechte mit Füßen.

„Besser wäre natürlich, wenn das Land bei Bedarf generell strengere Regelungen als der Bund einführen dürfte.“

Peter Bussjäger

peter.bussjaeger@vn.at

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.