Die Mär von der Ländle-Uni
In den 1970-er Jahren, als angeblich im Bundesbudget Milch und Honig für die Länder floss, sollen führende Vorarlberger Politiker die Chance vergeben haben, eine Universität ins Land zu holen. Sie waren vom damaligen Angebot des Bundes nicht recht begeistert. Sie befürchteten außerdem, kritische Intellektuelle in das stockkonservative Vorarlberg zu locken oder auszubilden. Den Vorwurf, eine historisch einmalige Gelegenheit verpasst zu haben, wird das Land nun für ein paar hundert Jahre nicht mehr los.
Es ist erstaunlich, wie sonst durchaus kritische Menschen aus einer Anekdote der Geschichte ein Jahrhundertprojekt konstruieren, das in dieser Dimension niemals existiert hat. Es glaubt doch hoffentlich niemand ernsthaft, dass der Bund, der für Universitäten zuständig ist, im kleinen Vorarlberg eine Volluniversität eingerichtet hätte, nachdem es solche Institutionen schon in Innsbruck und Salzburg gab? Welche wissenschaftlichen Disziplinen wären überhaupt angeboten worden? Vielleicht die teuren Naturwissenschaften, für deren Absolventen in Vorarlberg tatsächlich ein beträchtlicher Bedarf vorhanden war und ist?
Glaubt wirklich jemand, eine derart limitierte Universität hätte nur irgendwie Anschluss an die europäische Spitze gefunden, die dann sowohl entsprechendes Personal aus dem In- und Ausland angezogen hätte als auch für Studierende von außerhalb Vorarlbergs interessant gewesen wäre?
Die Mär von der Ländle-Universität dient nur dazu, den Vorwurf der vergebenen Bildungschancen gegenüber der ÖVP-dominierten Landesregierung so lange zu wiederholen, bis sie jeder glaubt.
Worin immer die Versäumnisse in den 1970er-Jahren bestanden haben mögen – sie wurden durch das Engagement Vorarlbergs für eine eigene Fachhochschule wettgemacht. Schon längst werden dort auch berufsbegleitend Ausbildungen auf akademischem Niveau in Fachgebieten geliefert, die von der Vorarlberger Wirtschaft nachgefragt werden. In die Fachhochschule fließen beträchtliche Mittel des Landes. Diese gezielte Forschungsförderung ist für das Land Vorarlberg zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl sinnvoller, als eine kleine Universität, auf deren Studienangebot das Land sonst keinen Einfluss hätte, zu subventionieren.
„Welche wissenschaftlichen Disziplinen wären überhaupt angeboten worden? “
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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