Beihilfe zum Suizid als Menschenrecht

Die Entscheidung sei ein Fortschritt in Sachen Menschlichkeit, kein Rückschlag.
Lans Die Kirche fürchtet, dass die kommende Straffreiheit der Beihilfe zum Suizid die Schwächsten der Gesellschaft unter Druck setzt. Alois Schöpf, Absolvent der Stella Matutina in Feldkirch und Autor von „kultiviert sterben“, spricht von einem Fortschritt in Sachen Menschlichkeit und Autonomie.
Um die Bedeutung zu sehen, müsse man nur in die Niederlande blicken. Diese schufen 2002 die Möglichkeit des assistierten Suizids, 6500 Menschen nutzen diese Option jährlich. Umgerechnet auf Österreich wären dies etwa 3000 Menschen, denen bislang diese Möglichkeit verwehrt blieb. „Ein humanitärer Skandal, dem der Verfassungsgerichtshof nun ein Ende gesetzt hat“, freut sich Schöpf. „Darüber kann nur jeder Mensch, der über ein Minimum an Empathie verfügt, zutiefst glücklich sein.“ Schließlich räumte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2011 ein, dass jeder Mensch über Art und Zeitpunkt seines Todes selbst bestimmen dürfe.
Daraus leite sich zwar keine Pflicht des Staates ab, hier selbst Beihilfe zu leisten und Missbrauch Vorschub zu leisten sei, betonten die Richter. Doch auch die Verfassungsrichter in Wien seien in ihrer Begründung ausführlich auf die Einwände eingegangen, betont Schöpf. Mit der erlaubten Beihilfe würden Leben vielmehr verlängert werden: Da die Menschen nicht mehr gezwungen wären, sich das Leben zu nehmen, solange sie noch dazu in der Lage sind, könnten sie den letzten Schritt hinausschieben. Und die bisher mögliche Patientenverfügung sei ebenfalls ein Akt der ärztlichen Mithilfe. Und die Leistungsfähigkeit der Palliativmedizin dürfe kein Grund sein, die Wahlfreiheit zu verweigern.
Auch weiterhin ist der Staat aufgefordert, Missbrauch zu verhindern. Sprich, sicherzustellen, dass die Entscheidung von geschäftsfähigen Personen nach reiflicher Überlegung getroffen wird. Die Ängste der Kirche seien eine „böswillige Unterstellung, die den alten Menschen ihre Mündigkeit abspricht, der jungen Generation kriminelle Energie und jenen, die in Zukunft bereit sein werden, Beihilfe zum Suizid zu leisten, Mittäterschaft unterstellt“, kritisiert Schöpf. Und die Verleitung zum Suizid bleibe strafbar.
Nun gelte es abzuwarten, wie der Nationalrat die Vorgabe der Verfassungsrichter umzusetzen gedenkt. Bei Versuchen, die nun eingeräumten Rechte wieder einzuschränken, rechnet Schöpf mit Verfassungs- und Schadenersatzklagen der Österreichischen Gesellschaft für ein humanes Lebensende. Ansonsten vertraut er darauf, dass Österreich an den Beispielen der Schweiz, Niederlande und Belgien genug Vorbild findet, um eine geeignete Lösung zu finden.
Alois Schöpf
Der 1950 in Lans geborene Autor maturierte 1969 am Jesuitengymnasium Stella Matutina in Feldkirch. Er debütierte 1973 als Schriftsteller mit dem Roman „Ritter, Tod und Teufel“, für den er den Preis des Molden-Roman-Wettbewerbs erhielt. Schöpf war Redakteur des Österreichischen Fernsehens und betreute Sendungen wie „Ein echter Wiener geht nicht unter“, schrieb für mehrere Zeitungen und veröffentlichte 2015 „kultiviert sterben“.