Der Baumeister
Anton, mein Enkel, zehn Jahre alt, nichts lieber tut er als Computer spielen. „Aber lass ihn nicht an den Computer”, bittet meine Tochter, „ich möchte, dass er eine Pause macht, du, Mama, wirst das schaffen.”
Anton schlief lange, ich wollte ihn nicht wecken, dann trank er einen Kakao und schlich im Haus herum. Ich ließ ihm Zeit. Er wuchtete die Kiste mit den uralten Legos aus dem Keller und leerte sie auf dem Wohnzimmerteppich aus. Playmobil fand sich unter den kleinen Legos, Bauklötze, Tablettenröhrchen.
„Er warf das Omelett in die Luft, und es landete in der Pfanne, bravo.“
Er bat um eine große Tischdecke, die breitete er auf dem Teppich aus. Das sollte der Platz sein, auf dem er Häuser bauen wollte.
„Darf ich mit dem Filzstift auf das Tuch schreiben?“
Er zeichnete einen Grundriss für sechs Häuser, drei auf der einen, drei auf der anderen Seite. Dazwischen zeichnete er Kreise, dort sollten Bäume gepflanzt werden. Apfelbäume, Zwetschkenbäume, Birnenbäume. Er dachte sich Gärten an der Rückseite der Häuser. Himbeersträucher, Johannisbeersträucher, Heidelbeeren. Er holte einen Suppenlöffel und nahm aus meinen Blumentöpfen Erde, die verteilte er. Er schnitt Schnittlauch, den streute er auf die Erde. Dann begann er mit der Knochenarbeit.
Mit den Tablettenröhrchen baute er ein Atrium. Er stapelte Bauklötze übereinander, verschiedene Legosteine.
„Wo sind die Fenster, Oma?”, fragte er. „Die sollten immer extra aufbewahrt werden, sonst findet man sie nicht.”
Er fand Fenster in verschiedenen Ausführungen und fügte sie ein. Auf eine Tiefgarage wollte er verzichten. Die Leute in diesen Häusern sollten mit dem Fahrrad fahren.
Anton arbeitete einige Stunden – ich störte ihn nicht. Am Abend waren alle sechs Häuser aufgebaut, jedes sah anders aus. Ich lobte ihn.
Anton sagte, er wolle mir Omeletts machen, das könne er, und gleich rührte er den Teig. Er warf das Omelett in die Luft, und es landete in der Pfanne, bravo.
Ich sagte: „Willst du jetzt Koch oder Baumeister werden?“
„Beides“, sagte er. „Gärtner wäre auch nicht schlecht.”
Wir kamen überein, dass es am besten wäre, man würde überhaupt alles können. Als Augenarzt würde er mein linkes Auge reparieren. Dem Opa würde er eine neue Kniescheibe einsetzen.
Und was ist mit dem Computer? „Ohne Computer geht in der Wissenschaft überhaupt nichts, sagt mein Papa. Ich meine, das wäre schon interessant, zum Beispiel Naturkatastrophen mit einem Computer zu simulieren, und sehen, wie sie zustande kommen und wie sie zu vermeiden wären. Aber wenn du mich so fragst, Oma, gibt es eigentlich noch etwas von deiner Engadiner Nusstorte?“
Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.
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