Fortsetzung folgt?
Jetzt ist er aber mutig geworden! Den Eindruck hatte ich, als Markus Wallner eine Sonderstellung Vorarlbergs aufgrund deutlich niedrigerer Fallzahlen durchgesetzt und uns ein notwendiges Stück Normalität beschert hat. So haben wir unseren ersten Espresso im Café genossen und ein Essen am (frühen) Abend im Restaurant. Die Sieben-Tages-Inzidenz ist trotzdem fast konstant. Als diese Woche Meldungen über Thrombosen bei Astra-Zeneca-Impfungen aufgetaucht sind, hat Wallner der Mut wieder verlassen. Die Impfungen wurden bei uns für Tage ausgesetzt, auch wenn führende Virologen und selbst die WHO davon abgeraten haben, weil die Anzahl der Todesfälle ohne Impfung in keinem Verhältnis zu den Komplikationen stehe. Derzeit kostet jeder versäumte Tag Menschenleben. Vorarlberg war bei weitem nicht allein. In der halben EU gab es einen Impfstoff-Stopp bei Astra Zeneca, obwohl die Europäische Arzneimittelbehörde EMA grünes Licht gegeben hat. Impfen ist auch Vertrauenssache. Wenn selbst die Landesregierung Zweifel hegt, was sollen sich die Bürger denken? Das ist auch eine der vielen Erfahrungen dieser Zeit, dass die Regierungen weltweit hektisch reagieren, wenn ein Experte auf eine mögliche Komplikation hinweist.
„Wenn jetzt über nächste Maßnahmen beraten wird, wird es auch um Vorarlbergs Sonderstellung gehen.“
Wie sehr in Österreich die Nerven blank liegen, sieht man an den nervösen Reaktionen des Kanzlers. Kurz-Fans bitte wegschauen: Dass diese Regierung derzeit hält, ist weit mehr den besonnenen Reaktionen des grünen Partners geschuldet. Anschober mag viele Fehler begangen haben. Dass er nicht wusste, dass sein Ministerium auf die Zuteilung von 100.000 Impfdosen von Pfizer-Biontech verzichtet hat, ist unglaublich. Zu spät hat er sich von dem dafür verantwortlichen Spitzenbeamten getrennt. Abner auf Provokationen des Kanzlers reagiert er besonnen. Gerade jetzt hat Österreich eine Regierungskrise so notwendig wie einen Kropf. Das sollte sich auch die Opposition hinter die Ohren schreiben. Anträge auf Herausgabe von persönlichen Daten von 3000 Novomatic-Mitarbeitern im Ibiza-Ausschuss oder auf die Veröffentlichung der Chat-Protokolle von Kurz und Strache (die nichts mit der Materie des Ausschusses zu tun haben) sind auch außerhalb von Pandemie-Zeiten fragwürdig. In der Pandemie erst recht. Wie nannte es der Bundespräsident, gerichtet an die Gesamtbevölkerung: „Widerwillen nicht gegeneinander richten!“ Das gilt umso mehr für Regierung und Opposition.
Wenn jetzt über nächste Maßnahmen beraten wird, wird es auch um Vorarlbergs Sonderstellung gehen. Wir haben bis jetzt gezeigt, dass wir es schaffen können. Die 7-Tages-Inzidenz liegt um die 60 und damit nur bei einem Fünftel von Wien. Die Tests sind überlaufen und laufen reibungslos. So besehen führt kein Weg an einer Sonderstellung vorbei. Warum nicht ein weiteres Stück Normalität? Gastronomie auch nach 20 Uhr? Öffnung für die Kultur mit gezielten Maßnahmen? So sind in vielen spanischen Städten Opern, Konzerte und Theater seit Monaten problemlos geöffnet. Allabendlich finden sich 1000 (!) Menschen in der Madrider Oper ein. Desinfizierende Fußmatten am Eingang, von jedem Zuschauer wird die Köpertemperatur gemessen, Masken dürfen nicht abgesetzt werden, von jedem Besucher werden die Kontaktdaten verlangt. Das würden Landestheater oder Konzertveranstalter auch schaffen. Wie sagte der Feldkircher Rössle-Wirt Markus Nagele im Ö1-Mittagsjournal? „Wenn Vorarlberg es die nächsten Wochen gut macht, ist das ein Zeichen, wie es im übrigen Österreich funktionieren kann.“ Aber auch: „Wenn wir das versemmeln, dann versemmeln wir es für ganz Österreich.“
Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landesdirektor, lebt in Feldkirch.
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