Blau-Weiß für Mustafa

Vorarlberg / 16.04.2021 • 21:15 Uhr
Die Kabinen und der Platz sind das Reich des 37-Jährigen.
Die Kabinen und der Platz sind das Reich des 37-Jährigen.

Ein Fußballverein kämpft um seinen Zeugwart. Der 37-jährige Afghane will bleiben.

Feldkirch Ein Fußballverein ist mehr als elf Spieler. Ohne Ehrenamtliche am Kiosk, an der Kassa oder in der Platzsprecherkabine funktioniert kein Verein. Eine besondere Rolle kommt dem Zeugwart zu. Er wäscht die Trikots, pumpt die Bälle und sorgt bei Auswärtsfahrten dafür, dass die Kampfmannschaft im richtigen Dress aufläuft. Mustafa Murtazawi ist Zeugwart beim Vorarlbergliga-
klub BW Feldkirch. Der 37-Jährige hat im Sommer 2019 angefangen. Wie lange er das noch machen kann, ist ungewiss. In zwei Wochen muss der Afghane nach Wien vor das Bundesverwaltungsgericht, sein Asylverfahren befindet sich in zweiter Instanz. Der Verein kämpft nun für seinen Verbleib. Während er einen negativen Bescheid erhielt, darf seine Schwester bleiben.

Die Familie Murtazawi erreichte Österreich im Jahr 2015. Mustafa, seine Schwester, zwei Brüder und seine Mutter kamen in Frastanz unter. 2018 folgte das erste Interview mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Wenige Tage später erhielt Mustafas Schwester Zainab einen positiven Asylbescheid. Ende 2018 erreichte den Rest der Familie die schlechte Nachricht: Asylantrag abgelehnt. Laut Experten ist das nicht ungewöhnlich. Die Murtazawis sind volljährig, weshalb alle Verfahren einzeln geführt werden. Eine VN-Anfrage bei der Bundesbetreuungsagentur bestätigt: Es handelt sich um keinen Einzelfall.

Mustafa Murtazawi und seine Brüder tun, was sie dürfen. Er war für die Stadt Feldkirch im Einsatz, hat Coronamasken genäht, lernt Deutsch, malt Bilder und verkauft sie. Den Erlös spendet er an die Caritas. „Ich würde gerne arbeiten“, bittet der 37-Jährige. Seine Schwester arbeitet seit 2018, ist ausgebildete IT-Fachfrau und hat schon 2016 einen Vortrag beim Forum Alpbach gehalten. Mustafa hat ebenfalls schon einen Arbeitsvertrag in der Tasche. Er darf nur nicht.

Fast die Hälfte korrigiert

787 Asylwerber befinden sich in Vorarlberg in der Grundversorgung. In den Caritas-Quartieren leben zudem 488 Bleibeberechtigte mit normalen Mietverträgen. Wie viel Menschen mit negativem Asylbescheid in Vorarlberg wohnen, ist nicht bekannt. Die Landesregierung kennt nur 99 Betroffene in Grundversorgungsquartieren. Mustafa Murtazawi zählt nicht dazu. Die Familie wohnt in einer Wohnung und sein Bescheid ist nicht rechtskräftig. Am 30. April findet die Verhandlung in Wien statt. Seine Chancen stehen nicht schlecht, wie die Statistik zeigt. 21.500 Einzelentscheidungen in über 17.000 Verfahren gegen BFA-Bescheide hat das Bundesverwaltungsgericht im Vorjahr bearbeitet. 9730 wurden abgeändert oder aufgehoben, also 45 Prozent.

Einen Monat habe die Flucht 2015 gedauert. Per Bus, per Auto, zu Fuß, es sei schrecklich gewesen. Nun hofft der Fußballverein, dass der Weg nicht umsonst war. Vor allem für Mustafa. Über 700 Menschen haben eine Petition auf der Vereinshomepage unterschrieben. BW-Feldkirch-Obmann Bernhard Neuberger ist überzeugt: „Mustafa ist sehr engagiert, integriert sich und fällt stets positiv auf. Er gehört zu uns.“ Der Druck  lastet auf dem Afghanen, er schlafe sehr wenig. „Ich hoffe, es ist bald vorbei und ich darf arbeiten“, sagt er. „Ich mag niemandem zur Last fallen.“

„Ich lerne Deutsch, nähe Masken und helfe, wo ich kann. Ich würde gerne endlich arbeiten.“

BW-Obmann Bernhard Neuberger schwärmt von Mustafa Murtazawis Engagement. VN/Serra
BW-Obmann Bernhard Neuberger schwärmt von Mustafa Murtazawis Engagement. VN/Serra