Ja keine Fragen, bitte!
Der am Freitagabend veröffentlichte Ordnungsruf des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen mag wie ein wohltuend bedächtiger Appell daherkommen, ist aber ein Beispiel der neuen Polit-Kommunikation, die alle Parteien heute immer öfter praktizieren. Der Bundespräsident veröffentlicht das Statement auf seiner Facebook-Seite als Video. Was zunächst total bürgernah klingt, heißt eigentlich, dass keine Fragen von Journalisten erlaubt und erwünscht sind. Die Redaktionen bekommen zwar eine Vorwarnung und den Text mit Sperrfrist vorab zur Verfügung gestellt. Auch die Fernsehsender bekommen freundlicherweise das Material überspielt, um nicht das Statement des österreichischen Präsidenten von einer US-Plattform abfilmen zu müssen. Aber es bleibt dabei, dass es Journalisten nicht möglich ist, kritisch nachzufragen. Das entspricht, obwohl ein schickes Video-Statement total modern wirkt, einer uralten Kommunikationsform, die man von eher unnahbaren Herrschern kennt: der amtlichen Verlautbarung.
Im aktuellen Fall von Van der Bellens Statement bleibt es inhaltlich bei präsidialen Andeutungen. Alle Medien berichten also über den sanften Facebook-Ordnungsruf, der sich überwiegend an die ÖVP richtet, ohne die ÖVP aber beim Namen zu nennen: dass die Institutionen ernst genommen werden sollen. Dass Blümels Akten-Aufführung “entbehrlich” war. Immerhin. Van der Bellen ermahnt auch die Opposition leicht, ihre Worte mit Bedacht zu wählen. Auf der einen Seite meint der Präsident Kurz, Blümel, Köstinger (“U-Ausschuss als Löwingerbühne”), auf der anderen Seite Krisper, Krainer, Meinl-Reisinger (“krimineller Kanzler”). Beide Seiten haben merklich zu laut aufgedreht. Der Bundespräsident sagt nichts dazu, wo er die “rote Linie” zieht – also ob Sebastian Kurz zurücktreten müsste, sollte er angeklagt werden. Ein unangenehmes Thema für den vormaligen Grünen-Chef, der heute auf seine ehemaligen Mitstreiter als tapfere Koalitionsretter an der Seite der Türkisen blickt.
Andere Spielarten der Kommunikation bei unangenehmen Themen begegnen uns ebenso täglich: nur mit ausgewählten, vermeintlich wohlgesonnenen Medien zu sprechen oder sich vor unangenehmen Interviews ganz wegzuducken: Der Ländle-Grünen-Chef Johannes Rauch beispielsweise hatte in den vergangenen zehn Tagen leider keine Zeit für ein ausführliches VN-Interview, das wir zehn Mal angefragt und wirklich gerne im Namen der VN-Leser mit ihm geführt hätten. Zum Regionalzug-Waterloo sei ‘alles gesagt’, ließ er ausrichten. Höchstens aus seiner Perspektive, möchte man freilich hinzufügen.
Anderes Beispiel: Grünen-Abgeordnete Nina Tomaselli, ich wiederhole das an dieser Stelle gern, die im Untersuchungsausschuss wertvolle Arbeit geleistet hat, wird nun von ihrer eigenen Fraktion kaltgestellt, indem diese aus Koalitionstreue zur ÖVP den Untersuchungsausschuss abdrehen lässt. Interview? Eine Wortspende der zentralen grünen Figur im U-Ausschuss nach der für die Grünen äußerst delikaten Entscheidung? Fehlanzeige. “Diese Woche keine Medienarbeit” ist das letzte Mittel: untertauchen, wenn’s unangenehm wird.
Für die Grünen ist es eine besonders zerreißende Zeit. Längst dort angekommen, wo sie sich lang nicht sehen wollten: im Establishment, an den Schalthebeln der Macht. Und manchmal als Steigbügelhalter der wirklich Mächtigen, mit geballter Faust im Hosensack halt im Notfall auch gegen die eigenen Überzeugungen.
Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.
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