Schwexit wirft Fragen auf

Viele Institutionen geben nach Aus für Rahmenvertrag aber Entwarnung.
Schwarzach Für Pflaster und Hüftgelenke gelten in der EU seit Mittwoch neue Sicherheitsvorschriften. Die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung trat in Kraft. Nicht mehr für die Schweiz. Die EU wird ab sofort nicht mehr automatisch schweizerische Zertifizierungen für Medizinprodukte anerkennen. Es ist die erste Konsequenz in der Beziehung zwischen der Schweiz und der EU, nachdem die Schweiz am Mittwoch Verhandlungen zum Rahmenvertrag platzen ließ. Welche Auswirkungen das sonst noch hat, ist derzeit unklar. Einige Institutionen geben auch Entwarnung.
Die Schweizer Verantwortlichen betonten am Mittwoch, dass sich nicht viel ändern würde. Schließlich gebe es auch bisher keinen Rahmenvertrag. Die Europäische Kommission hält in einer Stellungnahme hingegen fest: “Ohne das institutionelle Rahmenabkommen werden keine neuen Abkommen mit der Schweiz geschlossen, und die bestehenden Abkommen können nicht mehr aktualisiert werden.” Deshalb würden die Beziehungen im Laufe der Zeit geschwächt. Die Vorarlberger Neos-Abgeordnete im EU-Parlament, Claudia Gamon, ist überzeugt: “Es wird nicht von heute auf morgen Chaos herrschen. Es wurde aber eine beachtliche Chance verpasst, das große Potenzial für Wirtschaft, Forschung und Zusammenleben besser zu nutzen.”
Das könnte sich auf das Forschungsförderungsprogramm Horizon auswirken, wie Markus Rhomberg, Geschäftsführer der Internationalen Bodenseehochschule (IBH), erklärt. “Die Schweiz hat bisher stark von Horizon profitiert. Außerdem verlieren die Schweizer Universitäten internationale Forschungskontakte.” Die IBH sei aber nicht gefährdet, die Kooperationen zwischen den Hochschulen würden mit separaten Verträgen geregelt.
Auch für die Luftfahrt hat das Aus Konsequenzen. Schweizer Luftunternehmen werden sich im Binnenmarkt schwerer tun. Staatssekretär Magnus Brunner, in der Bundesregierung für die Luftfahrt zuständig, beruhigt aber: “Wir gehen davon aus, dass die Luftverkehrsbeziehungen EU-Schweiz nicht gefährdet sind.” Die Schweiz ist im Winter zudem auf Stromeinfuhren aus der EU angewiesen. “Auch wir haben Leitungen in die Schweiz”, erklärt Illwerke-VKW-Sprecher Andreas Neuhauser. “Aber wir sind vor allem im österreichischen und deutschen Markt tätig. Im Prinzip hat es auf uns also keine Auswirkungen.”
Der EU fehlt nun Geld, zum Beispiel für die Kohäsionspolitik. Die Schweiz hätte mitzahlen sollen. Ein EU-Vertreter ärgert sich: “Das ist aus unserer Sicht schon seit 2013 überfällig.” Nicht nur deshalb wäre eine Rahmenabkommen wichtig gewesen. Eine der größten Schwächen der aktuellen Verträge sind fehlende Mechanismen zur Streitbeilegung. Der Rahmenvertrag hätte solche vorgesehen, allerdings unter der Ägide des Europäischen Gerichtshofs. Für viele Schweizer ein Affront. Mirjam Dondi, Vorarlbergerin im Dienste der EU-Kommission, fühlt sich ein bisschen an den Brexit erinnert. “Man sieht die Parallelen, nämlich dieses Pochen auf die Souveränität. Die Enttäuschung in Brüssel ist spürbar.”
„Es wurde eine beachtliche Chance verpasst, das große Potenzial für besser zu nutzen.“
