Wie es möglich ist, Menschen klimaschonend zu ernähren

Klimaforscher spricht im VN-Gespräch über nötige Änderungen in der Landwirtschaft.
Lindau Bang blicken die Vorarlberger Obstbauern auf Wetterextreme. Heuer war es zum Beispiel eine Frostnacht im April, die zu einem Totalausfall der Kirschen in Fraxern führte. Bei vielen früh blühenden Obstsorten können die kühlen Temperaturen für Probleme sorgen. Wetterextreme dürften zunehmen. Grund ist der Klimawandel, wie Bernhard Schauberger, Wissenschaftler vom deutschen Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) am Rande der Lindauer Nobelpreisträgertagung den VN erklärt.
„Generell erwarten wir eine Verschiebung der Wetterextreme durch den Klimawandel, hin zu mehr Hitzewellen, aber auch zu zunehmend extremeren Niederschlagsmustern“, erläutert Schauberger. Zwar werde für Frost insgesamt eine Abnahme erwartet, allerdings nicht im gleichen Ausmaß wie die Hitze zunehme. Kühle Wetterkapriolen werden unzuverlässiger. Die Wissenschaft könne aufzeigen, dass Hitzewellen wie im Jahr 2018 durch den Klimawandel wahrscheinlicher geworden sind. Selbes gilt für Frostrekorde wie im Frühjahr 2021 in Frankreich.
Mehrere Treibhausgase
„Der Klimawandel wird wahrscheinlich alle Teile der Landwirtschaft beeinflussen, sei es durch erhöhten Wasserbedarf, verschobene Anbauperioden, veränderte Bodenphysik oder zunehmende Extremwetterlagen“, sagt der Experte. Der Anteil der Landwirtschaft an der globalen Erwärmung wird auf 20 bis 30 Prozent geschätzt. Bei der fossilen Verbrennung, zum Beispiel durch Traktoren, entstehe hauptsächlich Kohlendioxid. „Dazu kommen Landnutzungsänderungen wie Brandrodung in Südamerika zum Futtermittelanbau oder Moordrainagen in Europa, die ebenfalls CO2 erzeugen.“ Zusätzlich entstünden durch Düngerherstellung und dessen Einsatz, Gülle, Reisanbau und Wiederkäuer wie Kühe und Ziegen Methan und Lachgas; zwei Treibhausgase mit starker Wirkung.
Milch und Fleisch versus Gemüse
Die indirekten und direkten Quellen von Treibhausgasen führen Schauberger zufolge dazu, dass pro Kilogramm Fleisch oder Milch deutlich mehr Klimagase als bei einem Kilogramm pflanzlicher Produkte entstehen. „Gleichzeitig werden durch ein Kilo Fleisch weniger Menschen satt als durch ein Kilo Weizen.“ Tierhaltung sei aber nicht grundsätzlich schlecht. In Gegenden, die wegen des Klimas oder der Bodenverhältnisse keinen Ackerbau erlauben, könne sie eine sinnvolle Ergänzung sein.
Den Bioanteil auszubauen, wie sich das die Politik vorgenommen hat, wird nicht reichen. Diversität im Anbau und Biolandbau könnten sich positiv auf die lokale Umwelt auswirken. „Allerdings sind die Erträge in der Bio-Landwirtschaft im Schnitt geringer, so dass bei gleicher Nachfrage mehr Fläche notwendig ist. Das kann die Bilanz verschlechtern“, erläutert Schauberger. Daher müsse an der Nachfrage gearbeitet werden.

Ist es überhaupt möglich, die Menschen klimaschonend zu ernähren? „Ja“, antwortet Schauberger und verweist auf den Bericht „Planetary Health Diet“ der Eat-Lancet-Kommission von 2019, der das sogar für zehn Milliarden Menschen aufzeigt. Drei Bereiche müssten umgebaut werden: die Essgewohnheiten, die landwirtschaftliche Produktion und die Verschwendung von Lebensmitteln. „Das Schöne daran ist, dass diese Maßnahmen auch der menschlichen Gesundheit zu Gute kommen, durch weniger Fleisch und mehr Gemüse.“
Text: Magdalena Raos & Michael Prock