Betonierer
Der von Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger aufgeworfene Vorschlag, den Gemeinden die Widmungskompetenzen in der Raumordnung zu entziehen und ein „Bundesrahmengesetz“ zu erlassen (was immer das sein soll), hat für Aufsehen gesorgt.
Tatsächlich lässt sich einiges an der Raumordnung in Österreich kritisieren, zum Beispiel der enorme Bodenverbrauch. Dennoch ist der Vorwurf des Umweltsprechers der Neos, dass die Gemeinden die Landschaft „zubetonieren“, äußerst ungerecht. Die Raumordnung steht in Österreich nämlich vor einer besonders schwierigen Aufgabe: Planungsfehler aus den 1960er/70er-Jahren sind nicht mehr rückgängig zu machen, die wirtschaftliche und touristische Attraktivität des Landes fördert den Zuzug, eine wachsende Bevölkerung soll bei hohem Wohnkomfort untergebracht werden, die Innenbereiche der Gemeinden sollen verdichtet bebaut, aber gleichzeitig soll möglichst viel Grünraum erhalten werden. Viele der besten gewidmeten Baugrundstücke werden von den Eigentümern gehortet, um ihren Kindern oder Enkeln noch ein Eigenheim zu ermöglichen. Zu guter Letzt sollte die Gemeinde auch für Steuereinnahmen durch Betriebsansiedlungen sorgen. Die Gemeinden betonieren nicht, sondern können nur im Rahmen der Gesetze agieren, die ihnen oft nicht die notwendigen Instrumente in die Hand geben, das Betonieren durch andere zu verhindern.
Wer Zentralisierung will, sollte zuerst wissen, was dadurch besser werden soll. Wieso ein Bundesrahmengesetz den Bodenverbrauch einbremsen könnte, so lange sich die Rahmenbedingungen der Raumordnung in Österreich nicht ändern, wissen diejenigen, die ein solches Gesetz fordern, vermutlich selbst nicht. Ein viel stärkerer Hebel wäre im Übrigen, das geltende Kommunalsteuergesetz des Bundes zu ändern, das derzeit die Gemeinden motiviert, möglichst viele Betriebe anzusiedeln, die ihnen entsprechende Steuereinnahmen sichern. Anreize für Gemeindekooperationen in Sachen Betriebsansiedlungen, welche die einzelnen Gemeinden vom Widmungsdruck entlasten würden, gibt es kaum.
Die vordringlichen Aufgaben in der Raumordnung sind Maßnahmen gegen die Baulandhortung und eine stärkere Rolle der überörtlichen Raumordnung. Wie sich bei „Vision Rheintal“ gezeigt hat, sind die Grenzen freiwilliger Kooperation bei den Gemeinden ziemlich rasch erreicht. In solchen Fällen muss das Land stärker eingreifen. Kirchturmdenken können wir uns nicht mehr leisten.
„Wer Zentralisierung will, sollte zuerst wissen, was dadurch besser werden soll.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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