Weiter freie Fahrt bis Hohenems

Vorarlberg / 29.08.2021 • 21:00 Uhr
Seit 15. Dezember 2019 gilt die Vignettenpflicht erst ab Hohenems. VN/Stiplovsek
Seit 15. Dezember 2019 gilt die Vignettenpflicht erst ab Hohenems. VN/Stiplovsek

Gemeinden blitzen vor dem Höchstgericht ab: Nördliche A14 bleibt von Mautpflicht befreit.

Schwarzach Es bleibt dabei: Wer auf der Autobahn zwischen Hörbranz und Hohenems unterwegs ist, spart sich die Vignette. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) wies auch die zweite Beschwerde einer Gruppe von Gemeinden ab, der Beschluss liegt den VN vor. Deren Chancen, die Mautbefreiung doch noch zu kippen, sind wohl dahin, wie Verfassungsexperte Peter Bußjäger feststellt.

Es war ein Satz auf einer Wahlkampfveranstaltung 2019, der in der umstrittenen Mautbefreiung mündete. Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz versprach in Tirol, den Autobahnabschnitt in Kufstein von der Vignettenpflicht zu befreien. Sofort meldeten auch andere Bürgermeister und Landeshauptleute Begehrlichkeiten an. Im November 2019 entband der Nationalrat mit Stimmen von ÖVP, FPÖ, Grüne und Neos fünf Autobahnabschnitte in Österreich von der Mautpflicht. Darunter der Abschnitt im nördlichen Rheintal.

Jubel und Kritik

Während die Bürgermeister im Leiblachtal, am Bodensee und vor allem jener in Bregenz jubilieren, regt sich weiter südlich heftige Kritik. Der Stand Montafon fürchtet um deutsche Touristen, die nun lieber in den Bregenzerwald fahren. Angeführt von Kurt Fischer aus Lustenau und Dieter Egger aus Hohenems macht eine Gruppe von Gemeinden im mittleren Rheintal mobil. Sie hoffen auf ein Ergebnis der Evaluierung, die im Gesetz mitbeschlossen wurde. Und sie hoffen auf die Justiz. Zunächst bringen die Gemeinden die Beschwerde einer Lustenauerin vor das Höchstgericht, die sich aufgrund des zunehmenden Verkehrs in ihren Menschenrechten verletzt sieht. Die Richter weisen die Beschwerde zurück.

Parallel startet der Anwalt der Gemeinden, Karl Schelling, einen zweiten Versuch: Er lässt sich ohne Vignette im Oberland strafen und beschwert sich über die Ungleichbehandlung. Nun ist klar: Auch diese Beschwerde wird nicht behandelt. Das Höchstgericht argumentiert, dass es nicht behandeln muss, was wenig Aussicht auf Erfolg hat und wenn keine verfassungsrechtliche Klärung für andere Fälle zu erwarten ist. Die Frage sei nicht präjudiziell, sagen Juristen dazu.

Verfassungsjurist Bußjäger kann die VfGH-Entscheidung nicht nachvollziehen. „Es erstaunt mich, dass der VfGH keine Präjudizialität sieht. Es ist bedauerlich, dass er die Rechtsfrage nicht einmal prüft. Nun ist es für die Gemeinden praktisch unmöglich, das Gesetz noch anzufechten.“ Zwei Möglichkeiten gäbe es noch: Der Nationalrat könnte mit den Stimmen eines Drittels der Abgeordneten den VfGH das Gesetz prüfen lassen. Da allerdings nur die SPÖ dagegen war, wird das nicht geschehen. Sie verfügt über 40 von 183 Abgeordneten. Auch die Landesregierung könnte den VfGH einschalten. Landeshauptmann Markus Wallner hat sich jedoch für die Mautbefreiung eingesetzt.

Perfide

Fast zwei Jahre nach dem Nationalratsbeschluss ist der Ärger bei Lustenaus Bürgermeister Kurt Fischer nicht verflogen. „Ich verstehe es einfach nicht. Über uns ist man in dieser Frage einfach drübergefahren.“ Wenn eine Gemeinde verkehrstechnisch eh schon stark belastet ist, sei sie eben besonders empfindlich, wenn noch nachgetreten wird. Der Umstand, dass die Maut als Gesetz beschlossen wurde, sei perfide. „Ein Gesetz ist viel schwieriger anzugreifen.“ Er habe sich aber erwartet, dass die Politik zur Vernunft zurückkehrt. Das sei nicht geschehen.

Mit dem Gesetz beschloss der Nationalrat eine Evaluierung der Mautbefreiung. Im Frühjahr 2021 präsentierte das Verkehrsministerium das Ergebnis. Die Lockdown bedingte Verkehrsberuhigung nimmt der Studie jedoch die Aussagekraft. Die Mautbefreiung bleibt.

„Ich verstehe es einfach nicht. Über uns ist man in diese Frage einfach drübergefahren.“