Hanno Loewy

Kommentar

Hanno Loewy

„Universität“

Vorarlberg / 22.09.2021 • 16:00 Uhr

Was für eine schöne Nachricht, denkt man beim Aufschlagen der Vorarlberger Nachrichten. „Land will Universität nach Vorarlberg holen“. Da redet man sich doch schon seit Jahren den Mund fusselig, dass Vorarlberg eine Universität braucht. Doch immer, wenn man das Thema antippt, schauen alle betreten zur Seite (na ja, fast alle). Die einen sagen, der Zug sei eh längst abgefahren, die anderen erklären den Ausbau der FH zum alleinigen Ziel. Natürlich ist das alles zu teuer und besonders originell sind meine Freunde aus der Szene, die meinen, es hätte doch auch seine Vorteile, wenn die jungen Vorarlberger gezwungen wären, einmal in die weite Welt (wenigstens bis Innsbruck) hinaus zu kommen. Als ginge es nicht im Gegenteil darum, auch einmal interessante Leute ins Land zu holen. Nicht nur als Gäste, deren Auftritt man beklatscht, sondern als Partner für die Zukunft. Und eine Szene von Menschen zu kultivieren, die von innen und außen zugleich aufs Ländle schauen, ins Freie denken, sich ins Unbekannte vorwagen, über den Tellerrand.

„Ein Institut der Hochschule St. Gallen in Vorarlberg, das klingt irgendwie schon wieder nach einem ,Gastspiel‘“.

Und jetzt also soll das Wunder geschehen sein, so ganz nebenbei? Von Nahem besehen ist die „Universität“, die man ins Land holen will, doch eher ein Name ohne Substanz. Von einem „sechsstelligen Betrag“ ist die Rede, der investiert werden soll (also kaum mehr als nichts), in ein Forschungsinstitut der HSG St. Gallen mit zwei Stiftungsprofessuren, u.a. für „Computing Science“. Das Ganze vorgestellt auf einer Konferenz, auf der man immerhin die „beruhigende“ Nachricht hören konnte, dass die digitale Revolution den Menschen nicht überflüssig machen wird. Na Gott sei Dank. Und irgendwie geht es bei alldem doch immer um das eine: wie Menschen sich selbst und irgendwas anderes 24 Stunden am Tag verkaufen können. Influencer eben… Wenn sie nicht gerade zwei Wochen Urlaub machen, „am besten am Stück“, so die Empfehlung eines der Experten.
Ein Institut der Hochschule St. Gallen in Vorarlberg, das klingt irgendwie schon wieder nach einem „Gastspiel“. Und als Gastgeber ist das Land großartig. Die Bühne, nicht nur die Seebühne, ist spektakulär. Nur: „nachhaltig“ ist das nicht. Vielleicht ist doch eine Erinnerung nützlich an das, was das Wort „Universität“ eigentlich heißt. Kann man im Lexikon nachschauen.
Universitas, das meint eine „Gesamtheit“, das meint aufs „Ganze“ zu gehen, eine „autonome, sich selbst verwaltende Gemeinschaft von Lehrern und Schülern“, ein Ort, an dem man über die Welt nachdenken kann, frei von ökonomischen Interessen. Gerade die Vorarlberger Wirtschaft könnte doch irgendwann einmal auf die Erkenntnis kommen, dass gerade das am Ende auch den „Wirtschaftsstandort“ stärkt. Aber klar, dazu muss man erst mal über den Tellerrand schauen. Die Hoffnung jedenfalls, sie stirbt zuletzt.

Hanno Loewy ist Direktor des ­Jüdischen Museums in Hohenems.