„Mit Krankheit straft der Herrgott nie“
Auch der oberste Katholik im Land ortet Spaltungsgefahr. Er erhält Briefe von aufgebrachten Menschen.
Feldkirch Bischof Benno Elbs (61) sorgt sich um den durch die Coronapandemie bedrohten Seelenfrieden im Land. Seine Botschaft: „Bei allen Gegensätzen dürfen wir niemals den gegenseitigen Respekt verlieren. Wir sollten uns auch nach der Pandemie wieder in die Augen sehen können.“
Wie sehr spaltet Corona auch die Kirche in Vorarlberg?
Elbs Wir sind mit einer Situation konfrontiert, in der sich viele Menschen Sorgen machen, erschöpft und überfordert sind. Das führt zu starken und polarisierenden Reaktionen und polarisiert. Corona und Lockdown werden zu weltanschaulichen Themen hochstilisiert. Dabei sind es medizinische Fragen, und ganz sicher keine religiösen. Trotzdem betrifft dieser Komplex natürlich auch die Kirche.
Wie erleben Sie das als Bischof? Was nehmen Sie wahr?
Elbs Ich nehme das insofern wahr, als dass Menschen aufgeregt bei uns anrufen und Forderungen aufstellen. Die einen meinen, die Kirche müsste gegen das Impfen auftreten, andere das Gegenteil. Verbunden werden diese Forderungen häufig mit der Ankündigung, aus der Kirche auszutreten.
Wer sind diese Menschen, die der Kirche mit Unmut begegnen?
Elbs Es sind Einzelpersonen, und nicht bekennende Vertreter einer Organisation.
Sind schon Gläubige wegen des Coronastreits ausgetreten?
Mir ist davon nichts bekannt. Ich weiß das jetzt auch nicht.
Was sagen Sie diesen Menschen?
Elbs Ich sage ihnen, dass es bei diesen Fragen nicht um Religion geht. Man kann natürlich einen ethischen Zugang dazu haben und den Begriff Freiheit diskutieren. Bis wohin darf die persönliche Freiheit gehen? Ab wann ist Solidarität mit der Gesellschaft wichtiger? Ich denke: Selbstbestimmung hat ihre Grenzen, wenn es um das gesamtgesellschaftliche Wohl geht. Ich darf bei aller Freiheitsliebe den Blick auf den anderen nicht verlieren. In meinen Augen sind Freiheit und Solidarität Geschwister.
Sie sind ein Bischof mit einer aufgeklärten Haltung in vielen Fragen. Da gibt es andere Würdenträger wie Weihbischof Eleganti aus Chur oder Kardinal Viganti. Die stellen sich gegen Coronamaßnahmen, sprechen von Corona als Strafe Gottes. Wie sehr berührt Sie das?
Elbs Ihre Äußerungen und Haltungen zu diesem Problem teile ich nicht. Mit Krankheit straft der Herrgott nie, weil Gott nicht will, dass Menschen krank sind. Ich halte es mit der alten Weisheit: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und gebt Gott, was Gott gehört. Soll heißen: Die Pandemie ist eine weltliche, sprich medizinische und gesellschaftliche Herausforderung. Ich vertraue in dieser Frage der Wissenschaft und den Wissenschaftlern. Freilich soll das Gebet in dieser Zeit die Menschen begleiten. Die Diözese plant diesbezüglich eine besondere Aktion. Wir wollen im Lockdown zu Beginn des Advents ab kommenden Samstag bis zum 25. Dezember die Kirchenglocken im ganzen Land zum Läuten bringen. Und zwar täglich von 20 bis 20.05. Gleichzeitig mögen sich die Gläubigen in dieser Zeit vor dem Adventskranz zum Gebet versammeln. Das Gebet ist eine Gegenbewegung zur Spaltung. Bezüglich Impfen liege ich mit unserem Papst Franziskus auf einer Linie: Der hat die Gläubigen zur Immunisierung ermuntert.
Die Gräben in der Gesellschaft sind trotzdem bereits tief. Wie kann man sie zuschütten?
Elbs Wir dürfen bei allen vorhandenen Gegensätzen nie die Achtung und den Respekt voreinander verlieren. Oft findet bei den derzeit vielfach stattfindenden Konflikten eine Abwertung des jeweils anderen statt. Das darf nicht ein. Man muss so miteinander umgehen, dass man sich nach der Pandemie wieder in die Augen sehen kann.
Die Kirche geht nicht nach der 2G-Regel vor. Es können auch Nicht-geimpfte und Nichtgenesene das Gotteshaus betreten. Warum geht die Kirche da einen eigenen Weg?
Elbs Wir übernehmen grundsätzlich alle von der Regierung verordneten Sicherheitsmaßnahmen. Wir wollen aber nicht Gläubige aus der Kirche aussperren. Gerade in der Krise spielt die Religion eine wichtige Rolle. Deswegen sollen die Kirchen offen halten. Die Sicherheitsmaßnahmen sind trotzdem streng. Wir verlangen FFP2-Maske und Zwei-Meter-Abstand. Impfpflicht gibt es nur im Vatikan (lächelt).
Corona und Lockdown machen viele liebgewonnene Dinge zunichte. Müssen die Kinder heuer auf den Nikolaus verzichten?
Elbs Nein. Das müssen sie nicht. Der Nikolaus kommt auch heuer. Nur kommt er nicht ins Haus, sondern muss vor der Tür den Kindern begegnen. Aber dort kann er mit ihnen sprechen und ihnen ein Geschenk überreichen.
„Wir dürfen den Blick auf den anderen nicht verlieren. Freiheit und Solidarität sind Geschwister.“