Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Rückkehr der Fürsten?

Vorarlberg / 09.12.2021 • 20:41 Uhr

Die jüngsten Entwicklungen in der ÖVP werden von vielen Beobachtern als die Rückkehr der türkisen zur schwarzen Volkspartei gewertet. Die Parteiführung sei wieder von den schwarzen Landeshauptleuten abhängig. Nachdem die türkise Ausrichtung der Partei vielen Menschen, vor allem denen, die sie nicht gewählt hatten, nicht recht war, wird ihr nun eine Rückkehr zu alten Denk- und Verhaltensmustern vorgeworfen. Wem angesichts der türkisen Kälte schauderte, der fürchtet sich nun vor der Rückkehr der Fürsten der Finsternis.

Die Theorie der Machtübernahme der Landeshauptleute in der ÖVP ist eine einfache und bequeme Interpretation des Geschehens und passt gut in die Schwarz–Weiß–Berichterstattung der Medien. Die Landeshauptleute waren in ihrer Partei niemals völlig entmachtete Akteure. Erst recht musste Sebastian Kurz während der Pandemie die Kooperation mit ihnen suchen. Außerdem war sein Image nicht erst seit Bekanntwerden der Chats, sondern bereits im Herbst 2020, als sich die schlechte Vorbereitung auf die zweite Welle zeigte, beschädigt. Außerdem werden die ÖVP-Landeshauptleute auch unter den neuen Rahmenbedingungen nicht allein das Handeln der Bundespartei bestimmen können. Jedes föderale System funktioniert nur in einem Wechselspiel von Bund und Ländern. Ganz abgesehen davon muss auf Bundesebene auch Rücksicht auf den Koalitionspartner genommen werden, von dessen Durchhaltewillen die ÖVP derzeit abhängig ist.

Ob Bildungsminister Faßmann ausschließlich Opfer schwarzer Parteilogik und des Drucks der Steiermark, einen Minister zu stellen, geworden ist, wie er selbst andeutet, kann auch bezweifelt werden. Faßmann hatte noch zwei Wochen zuvor seinen Verbleib im Amt von der Beibehaltung der umstrittenen Schulöffnung auch im Lockdown abhängig gemacht. Nun hat ihn halt jemand vor künftigen Gewissenskonflikten bewahrt.

Wenn sich der neue Bundeskanzler jedoch grundsätzlich verbindlicher zeigt als sein Vorvorgänger Sebastian Kurz, wird sich dies möglicherweise positiv auf das Bund-Länder-Verhältnis auswirken. Davon würden nicht nur alle Länder profitieren, sondern vor allem das Gemeinwohl.

„Die Landeshauptleute waren in ihrer Partei niemals völlig entmachtete Akteure.“

Peter Bussjäger

peter.bussjaeger@vn.at

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.