Reinhard Haller

Kommentar

Reinhard Haller

Wider den Hass

Vorarlberg / 23.12.2021 • 06:30 Uhr

Nichts ist an den Protesten gegen die Coronamaßnahmen bedrückender als der sich dort zeigende Hass.

Wenngleich man verstehen kann, zu welchen Frustrationen die vielen Beschränkungen bei uns allen führen und welch hoher Aggressionsstau durch die Lockdowns entstanden ist, lässt sich der Hass gegen medizinisches Personal, Ordnungskräfte, Journalisten, Politiker und Anders- denkende durch nichts rechtfertigen. Auch nicht durch noch so gute Gegenargumente und hohe Freiheitsansprüche der eigene Person. Denn Hass ist die böseste und primitivste aller Emotionen.

„Hass ist auf Zerstörung ausgerichtete Abneigung, die destruktivste Form der Verachtung.“

Hass ist auf Zerstörung ausgerichtete Abneigung, die destruktivste Form der Verachtung. Als intensives Empfinden von Feindseligkeit und Aggressivität äußert sich Hass in verbalen Attacken und toxischem Schweigen, in zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen und Gesellschaftskonflikten, in Diskriminierung und Mobbing, am schlimmsten in Verbrechen und Krieg. Hass ist zeitlos, universell und omnipräsent. Trotz aller Zivilisationsfortschritte wirkt er in unserer Gesellschaft weiter, ja treibt in virtualisiertem Hass, in aufblühendem Fremdenhass und aktuell im Hass mancher – nicht aller – Coronaleugner und Impfgegner neue Blüten.

Man kann an dieser dunklen Leidenschaft nichts Gutes finden. Andere negative Gefühle sind differenzierter und haben auch positive Seiten: Wut besitzt einen befreienden Effekt. Zorn, manchmal sogar als heilig bezeichnet, dient der Wiederherstellung verletzten Gerechtigkeitsgefühls. Neid vermag den Ehrgeiz anzustacheln und die Leistungseffizienz zu steigern. Rache, die auch süß sein kann, ist überhaupt eine der vielseitigsten Emotionen. Und selbst der heute oft angeschuldigte Narzissmus stärkt, zumindest im rechten Maß, den Selbstwert. Solch konstruktive Anteile finden wir beim Hass nicht, er ist ausschließlich auf Erniedrigung und Vernichtung ausgerichtet. Deshalb kann ein Hassender auch nie ein Gefühl der Befriedigung wie der Zornige oder des Triumpfes wie ein Rächender erleben, sondern er spürt in sich allenfalls Verunsicherung, Düsternis, innere Leere – und Tod. Hass ist tatsächlich eine Leidenschaft, die nichts als Leiden schafft.

„Wo Liebe wächst, gedeiht Leben – wo Hass aufkommt, droht Untergang“, lautet eine zentrale Botschaft des großen Pazifisten Mahatma Gandhi. Wenn Liebe das Gegenteil von Hass und Weihnachten das große Fest der Liebe ist, so haben wir im Coronajahr 2021 allen Grund, Weihnachten als das zu feiern, was es eigentlich ist: Ein Fest gegen den Hass.

Univ.-Prof. Prim. Dr. Reinhard Haller ist Psychiater, Psychotherapeut und früherer Chefarzt des Krankenhauses Maria Ebene.