Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Ach, darum sind die Kabel so kurz

Vorarlberg / 22.02.2022 • 11:00 Uhr

Ich weiß, wer das nicht gerne hören wird, nämlich der Conrad Amber, aber ich habe eine neue Kettensäge. Meine erste eigene Kettensäge, eine kleine, kompakte Akku-Maschine. Also, es lag schon mal eine in meinem Schuppen, eine elektrische, aber die gehörte meinem alten Freund Krüger, dem vor vielen Jahren einmal die Idee gefiel, eine Kettensäge zu besitzen.

„So: der Großstadtintellektuelle mit der röhrenden Maschine in den starken Händen.“

So: der Großstadtintellektuelle mit der röhrenden Maschine in den starken Händen. Aber eine Benzinsäge war ihm dann erstens doch zu kompliziert, also entschied er sich für die elektrische. Zweitens ist der Krüger nicht wahnsinnig geschickt mit den Händen. Als er die Säge in meinem Garten zum ersten Mal in Betrieb nahm, um ein paar Äste durchzuschneiden, trennte er als Erstes einmal das Verlängerungskabel durch, an dem sie angesteckt war. Da ist mir auch klar geworden, warum die Steckerkabel an elektrischen Kettensägen immer so kurz sind: Damit man sie nicht mit der Maschine durchschneiden kann. Offenbar gibts noch mehr solche wie den Krüger.

Jedenfalls hat der Krüger dann nicht mehr so viel damit zersägt, irgendwann sprang ihm die Kette raus, er legte die Maschine in meinen Schuppen und erwähnte sie nie wieder. Und da lag sie dann die nächsten Jahre. Ich habe sie mal in die Werkstatt gebracht, aber sie sagten, das Sägeblatt sei so verbogen, da könne man leider nichts mehr machen.

Irgendwann letztes Jahr habe ich mir eine neue Kettensäge zugelegt, eine, die zu meinem Akkusystem passt, und dazu eine Schnittschutzhose. Ich dachte, es wird alles leichter, wenn ich nicht immer meinen Nachbarn fragen oder meinen Handwerkerfreund Gries anrufen muss, wenn mir ein Ast im Weg ist. Die Kettensäge kam in einer Schachtel, und die Schachtel stand im Abstellraum, weil ich nicht wusste, wie man sie zusammenbaut und außerdem hatte ich doch ein bisschen Respekt davor. Und da blieb sie, den ganzen letzten Sommer und Herbst, während die Natur rundherum versuchte, meinen Garten und mein Haus aufzufressen. Man kann sich das nicht vorstellen, wie gierig im Waldviertel alles wächst, heute steckst du einen Stecken in die Erde, morgen bist du wie Dornröschen eingewuchert von Gestrüpp. Und jetzt hats gereicht, und wie am Wochenende der Gries vorbeigekommen ist, hat er mir die Maschine zusammengebaut und mir gezeigt, wie es geht.

Ich kann berichten: Das geht super. Ich hab da und dort ein bisschen geschnitten und musste dann den ganzen Nachmittag Grünschnitt wegräumen. Dann bin ich in die Stadt gefahren, und mir ist klar, wenn ich in ein paar Tagen wieder komme, wird die Natur schon wieder zugeschnappt haben. Aber ich hab jetzt eine Kettensäge und weiß mich zu wehren.

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.