Plädoyer für die Kleinschulen

Sie sind wichtiger Bestandteil einer kleinen Dorfgemeinschaft, meint Walter Giselbrecht.
Schnepfau Walter Giselbrecht (55) ist seit 30 Jahren Volksschuldirektor. Kleinschulen sind seine Heimat. Er war schon in Damüls und steht nun seit 15 Jahren der Volksschule Schnepfau im Bregenzerwald vor.
Giselbrecht ist Sprecher der ARGE Kleinschulen im Land und widerspricht der Forderung, im Notfall die eine oder andere Kleinschule zu schließen, um den Personalengpass an großen Volksschulen zu schließen.
Darf über die Existenzberechtigung einzelner Klein- und Kleinstschulen diskutiert werden – so wie das der Lustenauer Volksschuldirektor Christoph Wund in Zeiten prekärer Personalsituation gefordert hat?
Giselbrecht Das ist letztlich eine politische Sache. Land und Gemeinden müssen diese Frage beantworten. Das Land hat ein eindeutiges Bekenntnis zu Klein- und Kleinstschulen abgegeben. Aus pädagogischer und kommunaler Sicht kann ich nur sagen: Schulen sind oft ein wesentlicher Bestandteil der Dorfgemeinschaft. Natürlich brauchen sie aufgrund der Struktur mehr Dienstposten. Aber ich meine: Man kann diese Schulen nicht zum Sündenbock für die derzeit zugegeben prekäre Personalsituation stempeln. Mit Christoph Wund, den ich sehr schätze, habe ich über dieses Thema schon diskutiert. Natürlich gibt es dabei verschiedene Zugänge.
Worin besteht der Wert einer Schule für die dörfliche Gemeinschaft?
Giselbrecht Die Schule in einem kleinen Dorf ist oft das Zentrum gesellschaftlicher Aktivitäten, die sonst zum Erliegen kämen. Denken sie an verschiedene Feste, an sportliche Aktivitäten, an den Ausgangspunkt für verschiedene Vereine im Dorf. Die Schule ist ein Mittelpunkt im Ort.
Sie sind Direktor der Volksschule Schnepfau. Erzählen Sie über Ihre Schule.
Giselbrecht Wir haben derzeit 19 Schüler, für die zwei Lehrer – einer davon bin ich – zuständig sind. Wir haben zwei Gruppen, wobei eine davon einen besonderen Förderbedarf hat. Auch bei uns gibt es Kinder mit Migrationshintergrund, die eine besondere Förderung brauchen. Wir versuchen natürlich auch die alles entscheidende Frage positiv zu beantworten, die lautet: Kann ich Chancengleichheit für jedes Kind gewährleisten? Könnten wir das nicht, dann müsste man die Standortfrage stellen dürfen.
Sind Lehrerstellen an einer Schule wie der Ihren nicht heiß begehrt?
Giselbrecht Das hängt vom Standort und vom Gesamtgefüge ab. Bin ich Lehrer an einem exponierten Standort und wohne dort womöglich auch noch, dann kann das Vor- und Nachteile haben. Du bist dort mit der Dorfgemeinschaft ja wie verwachsen. Das mag schön sein, doch wenn etwas nicht passt, ist es nicht mehr so schön. Ich war einmal in Damüls und verbinde gute Erinnerungen mit dieser Zeit.
Haben Sie Vorschläge, wie man mit der bedrückenden Personalsituation an manchen größeren Schulen im Land begegnen kann?
Giselbrecht Grundsätzlich muss sich bei Volksschulen jeder Standort selbst mit dieser Frage beschäftigen. Vieles hat auch mit der Wertschätzung für das Engagement der Lehrer zu tun, die, so finde ich, nicht immer gegeben ist. Als Kleinschulen sind uns die größeren Schulen übrigens nicht egal. Wir suchen in der derzeitigen Personalsituation gemeinsam nach Lösungen. Die konstruktive Verständigung der Direktoren untereinander ist da, auch wenn es bei den Lösungsvorschlägen unterschiedliche Zugänge geben kann.
Was sagen Sie zu der jüngst präsentierten neuen Ressourcenverteilung?
Giselbrecht Diese kann ich befürworten. Sie berücksichtigt wichtige Aspekte und soll Schulen mit besonderen Herausforderungen besonders helfen.
Ist es für eine kleine Dorfschule wie der Ihren von Nutzen, wenn sie auch Lehrer hat, die an Brennpunktschulen waren?
Giselbrecht Grundsätzlich ist jede Lehrperson mit viel Erfahrung in mehreren pädagogischen Bereichen für jede Schule ein Gewinn. Wenn ich etwa Kompetenz für Sonderpädagogik an meiner Schule habe, kann auch eine Kleinschule davon nur profitieren.
Ab wann ist die Existenz einer Klein- bzw. Kleinstschule dennoch nicht mehr verantwortbar?
Giselbrecht Das ist, so wie ich schon erwähnt habe, eine Sache, die Land und Gemeinden zu beurteilen haben.