Für die Ukraine im Einsatz

Laura Maria Scherer engagierte sich für die Caritas Vorarlberg neun Monate in der Ukraine.
Nenzing Drei Wochen nach Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine ist die Lage vor Ort weiterhin dramatisch und unübersichtlich. Viele Städte sind umkämpft oder stehen unter Beschuss, manche Gebiete sind von russischen Truppen eingenommen worden. Es gibt bereits hunderte Tote, darunter auch zivile Opfer. Häuser sind zerstört, die Bankfilialen sind zu, es gibt teilweise keinen Benzin mehr in den Tankstellen und leere Regale im Supermarkt.
Laura Scherer kennt das vom Krieg heimgesuchte Land gut. Die Nenzingerin ist bei der Caritas Vorarlberg seit knapp drei Jahren für Kinderprojekte und humanitäre Hilfe in der Ostukraine zuständig. “Bis zum Ausbruch der Covid-19-Pandemie war ich in Kyiv und habe von dort aus unsere Projekte in der Ostukraine betreut und regelmäßig besucht – das ist durch das Coronavirus natürlich stark eingeschränkt worden”, erklärt Scherer, deren letzte Reise im vergangenen Oktober in die Ostukraine führte.

Die humanitäre Hilfe der Caritas ist dabei in verschiedenen Bereichen, etwa der Trinkwassersicherheit oder der Sicherung der Lebensgrundlagen, aktiv: “Wir leisten akute Nothilfe, beispielsweise für ältere Menschen, die im Winter nicht genügend Heizmaterialien haben, oder für armutsgefährdete Familien, denen das Geld fehlt, um Lebensmittel zu kaufen. Aber auch längerfristige Projekte werden betreut, zum Beispiel haben wir vor Ort Sozialarbeitende ausgebildet, die jetzt in insgesamt 17 Schulen im Rahmen von sogenannten Child Friendly Spaces täglich kinderfreundliche Aktivitäten und niederschwellige psychosoziale Unterstützung für Kinder und Familien anbieten.”
Armut und Krieg
Schon vor der Eskalation des Konflikts haben rund 2,9 Millionen Menschen in der Ukraine humanitäre Hilfe benötigt. Diese Zahl wird durch den Krieg steigen, die Vereinten Nationen gehen von bis zu 18 Millionen Menschen aus, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Durch Reformbemühungen hat es in den vergangenen Jahren positive Entwicklungen gegeben, dennoch gehört die Ukraine zu den ärmsten Ländern in Europa. “In ländlichen Gegenden und vor allem in den seit 2014 vom Konflikt betroffenen Gebieten in Donetsk und Luhansk Oblast ist Armut weit verbreitet. Die Bevölkerung dort ist durch die fehlende Infrastruktur und den schwierigen Zugang zu Basisdienstleistungen besonders vulnerabel”, sagt die 32-Jährige. Zudem sind rund ein Drittel ältere Menschen, von denen viele eine chronische Krankheit oder körperliche Behinderung haben, alleine leben und bereits vor der Eskalation nur schwer zurecht gekommen sind. “In diesen Gebietet wächst leider auch eine ganze Generation Kinder auf, für die Konflikt und Krieg zum Alltag gehören”, weiß Laura Scherer.

Über Telefon und E-Mail-Verkehr hält die Nenzingerin Kontakt mit ihren Freundinnen und Freunden vor Ort. “Viele haben schon versucht in sicherere Landesteile oder ins Ausland zu gelangen oder sitzen auf gepackten Koffern und suchen Schutz in Kellern, teilweise gibt es weder Strom, Wasser oder Heizung. Es ist für alle eine unvorstellbar schwierige und belastende Situation”, schildert sie.
Hilfe vor Ort
Der Bedarf an humanitärer Hilfe vor Ort sei gewaltig. Die Menschen, die in die westlichen Landesteile geflüchtet sind, benötigen Schutz, Trinkwasser, warme Mahlzeiten, Hygieneartikel, Unterkunft und psychosoziale Unterstützung. “Unsere Partnerorganisationen haben hier rasch entsprechende Strukturen aufgebaut und helfen. Gleichzeitig gilt es, die soziale Versorgung aufrechtzuerhalten, beispielsweise in unseren landesweiten Kinderzentren oder Familienpflegeheimen”, sagt Laura Scherer.

Manche Menschen konnten in sicherere Gebiete evakuiert werden, andere suchen nach wie vor Schutz und harren aus. Diese benötigen Unterstützung bei der Versorgung mit Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs sowie einen Zugang zu Basisdienstleistungen. Wann Laura Scherer ihr Engagement im derzeitigen Krisengebiet wieder aufnehmen kann, ist unklar: “Das hängt von der Sicherheitslage und der weiteren Entwicklung ab.” Sobald sich die Lage etwas stabilisieren wird, werden Besuche vor Ort wieder möglich sein.
“Die Ukraine ist mir wirklich ans Herz gewachsen, die Zerstörungen und die Not der Menschen machen mich daher sehr betroffen.” Trotzdem sei es schön zu sehen, dass es in der Krise viel an Unterstützung, Hilfe, Solidarität und Mitmenschlichkeit aus den Nachbarländern und Österreich gibt.
Zur Person
Laura Maria Scherer
ist seit Oktober 2019 für die Caritas Vorarlberg tätig. Scherer war neun Monate lang vor Ort in der Ukraine. Für Job und Studium Aufenthalte in Georgien, Brüssel und Genf.
Alter 32
Wohnort Nenzing
Freizeit Bergsport, Weitwandern, Rennrad fahren, gute Bücher.
