Eine museumsreife Hebamme

Vorarlberg / 23.03.2022 • 10:30 Uhr
Eine museumsreife Hebamme
Agnes Meyer vergleicht die Geburt mit einer Besteigung des Piz Buin: “Da oben sitzt der Bergkristall”, sagt sie. VN/Paulitsch

Agnes Meyer ist Teil der neuen Ausstellung im Museum des Wandels in Feldkirch.

Lauterach, Feldkirch Viele Vorarlberger kennen sie, bei Tausenden von ihnen war sie bei der Geburt dabei, nun ist Agnes Meyer Teil der neuen Ausstellung im Museum des Wandels im Erdgeschoss der Schaffarei in Feldkirch. Die heute 74-Jährige war 35 Jahre lang als Hebamme tätig, knapp 20 Jahre davon als Chefhebamme im Krankenhaus Bregenz. In dieser Zeit hat sie rund 6000 Geburten („1500 in Reutte und 4500 in Bregenz“) begleitet und über 13.000 Frauen auf die Geburt vorbereitet. In der Ausstellung „Aus dem Arbeitsleben einer Wegbegleiterin“ wird am Beispiel von Agnes Meyer gezeigt, wie sich der Hebammenberuf in den letzten Jahrzehnten verändert hat.

Wegbegleiterin

Agnes Meyer ist mit sechs Geschwistern in Mieders im Stubaital aufgewachsen. „Hebamme zu werden, war schon immer mein Wunsch“, sagt sie. 1978 heiratete sie nach Lauterach. Im selben Jahr kam ihr Sohn zur Welt. Bis 1981 pendelte sie weiterhin nach Reutte zur Arbeit. „Ich hatte 48 Stunden Dienst und vier Tage frei“, erinnert sich die gradlinige Tirolerin mit dem unverkennbaren Dialekt und den markigen Sprüchen.

Die Bezeichnung Wegbegleiterin im Ausstellungsnamen gefällt der Protagonistin. Eine Hebamme begleite die Frau in der Schwangerschaft, bei der Geburt, im Wochenbett, in der Stillzeit oder bei den Babymassagen. „Sie ist wie eine Bergführerin“, ergänzt Agnes Meyer. „Ich bezeichne die Geburt als Piz-Buin-Besteigung. Von Lauterach bis Partenen sind es die zehnminütigen Wehen. Von Partenen bis zur Wiesbadener Hütte die fünfminütigen Wehen. Dann müssen wir auf den Piz Buin rauf, denn da oben sitzt der Bergkristall, und da muss ich die Frau hinbringen. Entbinden muss die Frau allein, die Hebamme muss sie begleiten.“

Die 74-Jährige macht seit 1971 und bis heute Geburtsvorbereitungskurse, war 20 Jahre im Hebammengremium, hat Ausbildungen in Akkupunktur, Homöopathie, Aromatherapie, Hypnose, Bachblüten, Babymassage und Kinesiologe absolviert und ihre eigenen Globuli. Im Museum des Wandels wird zweimal im Jahr anhand zweier Objekte und eines Interviews ein individuelles Arbeitsleben porträtiert. Mit der Zeit sollen diese Geschichten ein digitales Museum des Wandels bilden. Aus dem Fundus von Agnes Meyer sind eine alte Hebammentasche und ein Hebammenbuch aus dem Jahr 1775 zu sehen, beides Dachbodenfunde aus Sulzberg, die sie vor Jahren von einer ihrer Turnerinnen geschenkt bekommen hat. „Wie die früher schon schlau waren“, schwärmt sie beim Durchblättern der Abbildungen. „Das alte Wissen geht heute sehr verloren.“

Mister Google

Die technischen Geräte sind mittlerweile hochentwickelt. Was sich in dem Beruf sonst noch verändert hat? „Heute haben die Hebammen das Problem mit Mister Google. Die Frauen googeln zuerst, dann kommen die Fragen und wenn du die Fragen beantwortet hast, kommt wieder Mister Goggle. Du musst ein großes Fachwissen haben, viele trauen sich auch nichts zu sagen“, merkt die erfahrene Wegbegleiterin an. Dass Agnes Meyer zu der Hebamme geworden ist, die sie ist, habe sie vielen Menschen zu verdanken. „Auch ich hatte meine Wegbegleiter“, sagt sie. „Primar Hans Concin, mein Hebammenteam, mein Mann, der das akzeptiert, meine Schwägerin Blanka, die auf meinen Sohn geschaut hat, alle Vorarlberger Frauen. Bei ihnen allen möchte ich mich herzlich bedanken.“

Zur Person

Agnes Meyer

kommt in das Museum des Wandels

Geboren 1. März 1948

Wohnort Lauterach, aufgewachsen in Mieders im Stubaital

Laufbahn Krankenhaus Feldkirch (Juli 1970-Dezember 1971), Krankenhaus Reutte/Tirol (Jänner 1971-März 1981), anschließend LKH Bregenz – ab Mitte 1980 bis zur Pensionierung im Jahr 2005 Chefhebamme

Familie verheiratet, ein Sohn (43)

Hobbys Aquajogging, Mützen und Socken für die CliniClowns stricken, Lesen

Ausstellung „Hebamme Agnes Meyer“: 24. März bis 24. Juni, Mo bis Sa, 9-18 Uhr, Schaffarei, Widnau 10, Feldkirch.