Fabrizio und sein Überlebenskampf

Bettina Pecoraro (46) musste um das Leben ihres einzigen Kindes bangen.
Nüziders Bettina Pecoraro (46) litt in ihrer Jugend häufig an Eileiterentzündungen. Als sie 18 Jahre alt war, teilten ihr die Ärzte mit, dass sie unfruchtbar sei. Für die junge Frau stürzte eine kleine Welt ein. Jahre später passierte etwas, womit die Sekretärin nicht gerechnet hatte. Ein Schwangerschaftstest zeigte eine Schwangerschaft an. „Ich konnte es nicht glauben, dass ich ein Kind bekomme.“ Doch das Ultraschall-Bild überzeugte sie schließlich. „Mein Mann und ich hatten eine riesengroße Freude.“
Fabrizio kam vor 14 Jahren gesund zur Welt. „Ich dankte Gott für dieses Geschenk.“ Das Ehepaar wollte nicht, dass Fabrizio als Einzelkind aufwächst. Deshalb wünschte es sich ein zweites Kind. Aber dieses blieb ihm versagt. Nach vier Fehlgeburten fanden sich die Eltern damit ab. „Man muss mit dem zufrieden sein, was man hat.“ Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn war immer eng. Aber als die Ehe zerbrach, wurde sie noch enger. „Fabrizio und ich sind einander alles. Ein Leben ohne einander könnten wir uns nicht vorstellen“, sagt die Alleinerzieherin und schaut ihren hübschen Sohn liebevoll an. Dieser erwidert ihren innigen Blick und nickt bestätigend.
Ein faustgroßer Tumor im Kopf
Die Welt der beiden geriet aus den Fugen, als Fabrizio in der ersten Klasse Volksschule schwer krank wurde. „Es fing mit Kopfschmerzen und Übelkeit an, später kamen Sehstörungen und epileptische Anfälle hinzu“, erinnert sich seine Mutter. Nach einem halben Jahr war klar, warum der Bub derartige Beschwerden hatte. „Man entdeckte in Fabrizios Kopf einen faustgroßen Tumor.“ Im Zuge einer Operation im März 2016 in der Innsbrucker Klinik wurde die Geschwulst entfernt. „Nur wenige Monate später brach Fabrizio wieder zusammen.“ Nach einer MRT-Untersuchung und einer weiteren OP war klar, dass der Tumor im Kopf gestreut hatte und der Bub an Lymphdrüsenkrebs im Gehirn leidet. Bettina warf die schreckliche Diagnose nieder. „Ich verstand die Welt nicht mehr, verfluchte und hinterfragte alles.“ Sie wusste zunächst nicht, wie sie es ihrem Kind beibringen sollte. „Ich sagte Fabrizio, dass in seinem Körper etwas Böses ist, das man bekämpfen muss.“
Ein halbes Jahr lang musste sich der Bub einer hochdosierten Chemotherapie unterziehen. „Wegen der starken Nebenwirkungen mussten wir die ganze Zeit im Spital bleiben. Die Chemo schwächte Fabrizio so sehr, dass er nicht mehr auf seinen Beinen stehen konnte und einen Rollstuhl brauchte,“ erzählt Bettina, die damals ihre Arbeit aufgab, um für ihr einziges Kind da sein zu können.
“Die Krankheit hatte Sinn. Durch das Leid haben wir uns weiterentwickelt.”
Bettina und Fabrizio Pecoraro
Fabrizio kämpfte. Ihm war der Ernst der Lage klar. „Ich wollte nur überleben.“ Als er sah, dass einige seiner jungen Mitpatienten starben, dachte er sich: „Hoffentlich schaffe ich es.“ Und Fabrizio schaffte es. Heute ist der Krebs weg. Aus dem schüchternen Buben wurde ein selbstbewusster und hilfsbereiter Teenager. „Wenn jemand Hilfe braucht, bin ich da.“ Früher wollte Fabrizio Polizist werden. Heute möchte er Arzt werden. „Ich will Menschen helfen.“

Im Rückblick steht für Mutter und Sohn fest: „Die Krankheit hatte Sinn. Durch das Leid haben wir uns weiterentwickelt. Wir schätzen auch das Leben heute viel mehr als früher.“ Bettina ist überzeugt, dass nichts von dem, was einem im Leben widerfährt, sinnlos ist. „Alles hat Sinn.“ Es gelte, das Leben mit all seinen Unannehmlichkeiten anzunehmen und das Beste daraus zu machen. „Wenn man das tut, dann kommt auch der Glaube wieder zurück.“ Die leidgeprüfte Mutter zweifelte an Gott, als ihr Sohn schwer krank wurde. Inzwischen glaubt sie mehr denn je an den Allerhöchsten. „Ich danke Gott jeden Tag dafür, dass er mir das einzige Kind nicht genommen hat und Fabrizio und ich gesund sind.“