Armutszeugnis

Über das im Regierungsprogramm angekündigte Informationsfreiheitsgesetz wird seit gut zwei Jahren diskutiert. Damals legte die Bundesregierung einen Begutachtungsentwurf vor. Darin war auch eine Verfassungsänderung vorgesehen, welche die bisherige Amtsverschwiegenheit durch ein allgemeines Recht auf Informationsfreiheit ersetzen sollte. Ins Parlament eingebracht wurde das geplante Gesetz bis heute nicht.
In den „ORF-Sommergesprächen“ antwortete Vizekanzler Werner Kogler unlängst auf die Frage des Journalisten, wann das „Informationsfreiheitsgesetz“ beschlossen wird: „Die Länder blockieren.“ Damit war die Angelegenheit offenbar überwältigend plausibel erklärt, es gab kein Nachhaken, keine weiteren Fragen.
Die Aussage des Vizekanzlers scheint Teil einer allgemeinen Sprachregelung der Bundesregierung zu sein: Die Bundesregierung wolle Informationsfreiheit statt der bisherigen Amtsverschwiegenheit, die Länder hätten das bisher verhindert.
Die Bundesregierung wolle Informationsfreiheit statt der bisherigen Amtsverschwiegenheit.
Erstaunlich ist, dass diese Sprachregelung (neudeutsch als „Spin“ bezeichnet), nicht weiter hinterfragt wird. Grundsätzlich ist es nicht zu kritisieren, wenn der Bund in dieser gesellschaftspolitisch wichtigen Angelegenheit, die auch mit erheblichen Kosten in der Verwaltung verbunden ist, auf einen Konsens mit den Ländern (und den Gemeinden) Wert legt. Allerdings ist es schon ein Armutszeugnis, dass sich die Bundesregierung gut zwei Jahre nach der Vorlage des ersten Entwurfs noch immer vage auf eine „Blockade“ durch die Länder hinausreden kann.
Warum wird ausgerechnet in einer Sache, in der es um Informationsfreiheit und Transparenz geht, nicht offengelegt, welche Inhalte des geplanten Gesetzes besonders umstritten sind? Warum informiert die Bundesregierung nicht über die Verhandlungen, oder besser gefragt: gab und gibt es überhaupt Verhandlungen? Und wenn ja, zwischen wem? Unterliegen diese Verhandlungen der Amtsverschwiegenheit oder geht es einfach nur darum, sich an einer Seite „abzuputzen“, um den Stillstand zu begründen?
Im Übrigen könnte das Parlament jederzeit ein Informationsfreiheitsgesetz nur für den Bund beschließen und bedürfte dazu auch keiner Verfassungsänderung. Warum diese Alternative nicht in Erwägung gezogen wird, wenn die Länder – angeblich – blockieren, bleibt unklar.
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.