Ein herzensguter Bösewicht

Vorarlberg / 25.08.2022 • 09:00 Uhr
Ein herzensguter Bösewicht
Mr. Ugly bei einem Fotoshooting auf dem Muttersberg. MUTTERSBERGBAHNEN

„Mr. Ugly“ Martin Schiefert holt Menschen mit Makel vor die Kamera.

BREGENZ Wer vor seiner Kamera posiert, entspricht meist nicht dem Schönheitsideal der Modelbranche.

Martin Schiefert (57) bildet vorwiegend Menschen ab, die Makel haben, etwa durch Krankheit oder Behinderung. „Es braucht Mut, sich mit einem Makel fotografieren zu lassen“, sagt Schiefert. Seine hohe Wertschätzung für diese besonderen Menschen spiegelt sich in seinen Bildern wider.

Martin Schiefert
Martin Schiefert

Sich selber nennt er „Mr. Ugly“. Dieses Markenzeichen hat er sich zugelegt, weil er so gern in die Rolle von hässlichen Bösewichten schlüpft. Damit kompensiere er seinen „sehr schwierigen Lebensweg“.

Ausgesetzt

Martin Schiefert wurde mit acht Monaten in einer Bananenschachtel in Wien ausgesetzt. Seine Kindheit im SOS-Kinderdorf Dornbirn sei geprägt gewesen von Schlägen und Erniedrigungen. „Darum haute ich mit 16 ab.“ Er zog nach Bregenz unter die Gulaschbrücke. Um der von der Fürsorge angedrohten Internierung in die Erziehungsanstalt Jagdberg zu entgehen, suchte er eine Lehrstelle und Wohnmöglichkeit. Er fand beides bei einem Tischlermeister in Hard.

Der (verkleidete) Organisator der Miss Curves Wahl 2018 feiert mit den Finalistinnen auf dem Muttersberg. <span class="copyright">SEEBURGER</span>
Der (verkleidete) Organisator der Miss Curves Wahl 2018 feiert mit den Finalistinnen auf dem Muttersberg. SEEBURGER

Nach der Gesellenprüfung und dem Militärdienst ging es turbulent weiter: Fenstermonteur in der Schweiz, Rotlichtmilieu in Deutschland, Eintreiber eines Inkassobüros in Russland, Schulwart in einem Bregenzer Gymnasium, Gründung der Reinigungsfirma „Clean Martin“. Nebenbei ließ sich der Verwandlungskünstler als Schauspieler sowie als Fotomodel engagieren. „Meine Lieblingsfigur ist Hannibal Lecter.“ Auch als Jack the Ripper oder Dr. Mabuse fühlt er sich in seinem Element.

Ich möchte, dass ihnen dann daheim beim Anschauen der Bilder das Herz aufgeht.

Martin Schiefert, Fotograf

Nach mehr als drei Jahrzehnten vor der Kamera, agiert Schiefert mittlerweile fast nur noch hinter der Kamera. Am Anfang hat er für seine Shootings gerne klassische Models gebucht. Doch dann begegnete er einer üppigen, feschen, jungen Frau: „Ich fand sie so schön, dass ich sie fragte, ob ich sie fotografieren darf.“ Er durfte. Dadurch initiierte Schiefert Miss Curves-Wahlen und bevorzugt seitdem „Models mit Makel“. Und seine Bilder sind wahre Kunstwerke. „Ich möchte die Menschen, die ich fotografiere, in ihren besten Momenten festhalten, und dass ihnen dann daheim beim Anschauen der Bilder das Herz aufgeht“, erklärt er und fügt hinzu: „Ich spreche über meine Bilder zu den Menschen.“ Das sieht man auch in seiner Biografie, die er in einem Buch zusammengefasst hat und zudem auf seinen Körper tätowieren ließ.

Schieferts ganzer Körper ist mit Texten und Bildern, auch seinem eigenen Gesicht, tätowiert.
Schieferts ganzer Körper ist mit Texten und Bildern, auch seinem eigenen Gesicht, tätowiert.

Seit vergangenem Jahr gibt Schiefert auch Kindern die Möglichkeit, sich vor der Kamera zu präsentieren. Er rief die Instakids (Instagram-Kinder) ins Leben und organisierte im März eine Ländle-Casting-Show in Götzis.
Das nächste Instakids-Projekt ist eine Herbst-Modenschau, die am 18. September um 10 Uhr in Dornbirn vor dem Stadtmarkt über die Bühne geht. „Die Kids führen ihre eigenen herbstlichen Kleidungsstücke auf dem Laufsteg vor“, informiert Schiefert. „Mitmachen können alle, die zwischen fünf und 17 Jahre alt sind.“

Schiefert im Shaolin-Kloster in Tibet, in dem er seine sportliche Laufbahn beendete.
Schiefert im Shaolin-Kloster in Tibet, in dem er seine sportliche Laufbahn beendete.

Ruhelos

Schiefert ist tagsüber Fotograf, nachts reinigt er die ihm anvertrauten Objekte. Relaxen ist nicht drin. Nein, Ruhe geben könne er nicht: „Ich bin wie ein Wolf, der durch den Wald gejagt wird.“ Sport betrieben hat er früher einmal – und das exzessiv. Er stählte seinen Körper durch Krafttraining. Seine Laufbahn als Gewichtheber und Strongman beendete er 40-jährig mit einem Anabolika-Entzug in einem Shaolin-Kloster in Tibet. HRJ

Zur Person

Martin Schiefert

GEBOREN 18. Oktober 1964

WOHNORT Bregenz

BERUFE gelernter Tischler, Unternehmer, Fotograf

MOTTO Ich spreche über meine Bilder zu den Menschen.

INSTAKIDS Herbst-Modenschau mit Instakids, 18. 9., 10 Uhr, Stadtmarkt Dornbirn