Nicht mehr handlungsfähig: Diese Gemeinde hat ernste finanzielle Schwierigkeiten

Vorarlberg / 26.08.2022 • 12:59 Uhr
Die Gemeinde muss dringend Einnahmen lukrieren und Ausgaben reduzieren.<span class="copyright"> VN/JUN</span>
Die Gemeinde muss dringend Einnahmen lukrieren und Ausgaben reduzieren. VN/JUN

Um wieder handlungsfähig zu werden, muss sich jeder Gemeindevertreter mit den Finanzen der Gemeinde befassen und abwägen, wo man überhaupt Einsparungen treffen kann, denn ein Großteil der Einnahmen und Ausgaben ist in einer Kleingemeinde gar nicht beeinflussbar.

Es besteht dringender Handlungsbedarf, denn handlungsfähig ist die Gemeinde nicht mehr.

Raggal hat keine Rücklagen, für Investitionen müssen Darlehen aufgenommen werden. Die äußerst angespannte Finanzlage erfordert dringende Konsolidierungsmaßnahmen. Geplante Vorhaben (mit Ausnahme der bereits behördlich genehmigten) müssen auf ein unbedingt erforderliches und zeitlich nicht mehr aufschiebbares Ausmaß reduziert werden, lautet die Forderung der Abteilung Gebarungskontrolle des Landes Vorarlberg.


Dieter Hartmann und Simone Pfefferkorn vom Prüfungsausschuss präsentierten ausführlich die angespannte Finanzsituation in der Gemeindevertretungssitzung: Im Voranschlag 2022 ist ein eindeutiges negatives Nettoergebnis von 662.000 Euro budgetiert, im Rechnungsabschluss 2021 wurde ebenfalls ein negatives Nettoergebnis von knappen 600.000 Euro erzielt. „Der Schuldenstand steigt aktuell“, sagte Dieter Hartmann und lag Ende 2021 bei 4,38 Millionen Euro. Ob die Verschuldung mittelfristig durch getilgte Darlehen reduziert werden kann, sei abhängig vom Mittelfristigen Finanzplan, der bereits mehrfach in der Gemeindevertretung angesprochen wurde. In einer Excel-Liste schlüsselte Dieter Hartmann alle Einnahmen und Ausgaben transparent auf, zeigte jedoch auch auf, dass ein Großteil derer nicht beeinflussbar ist. In einer Klausur sollen zunächst die Ziele, Entwicklung und Ausrichtung der Gemeinde erarbeitet werden, schlug Dieter Hartmann als Vorsitzender des Prüfungsausschusses vor. Aus diesen Ergebnissen soll im Anschluss ein Mittelfristiger Finanzplan erstellt werden.

Finanzberater kein Allheilmittel

In der Gemeindevertretungssitzung wurde darüber diskutiert, ob man nun einen externen Finanzberater hinzuziehen soll, oder ob man intern auf eigene Faust Einsparungen treffen kann, indem man sich zusammensetzt und die Einnahmen und Ausgaben durchackert. Die Opposition „gemeinsam Zukunft gestalten“ will unbedingt einen Coach haben, einer, der diesen Prozess leitet und den Überblick nicht verliert. Für Bürgermeisterin Alexandra Martin reicht es hingegen aus, wenn sich jeder Gemeindevertreter mit den Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde befasst und man im Anschluss miteinander darüber diskutiert. „Eine externe Finanzberatung ist kein Allheilmittel, da wir in jedem Fall die Grundarbeit leisten müssen“, ist Alexandra Martin der Meinung.

Raggal ist eine große Streusiedlung, weshalb auch der Kanalkataster teuer ist. <span class="copyright">Dietmar Stiplovsek</span>
Raggal ist eine große Streusiedlung, weshalb auch der Kanalkataster teuer ist. Dietmar Stiplovsek

Eine externe Beratung für eine kleine Gemeinde wie Raggal, wie sie ein Grazer Unternehmen anbietet, kostet der Gemeinde annähernd 30.000 Euro. Darin beinhaltet sind u.a. eine Ausarbeitung von Wunschprojekten und Zielen, eine Strategie und eine Klausur. Die Gemeinde wird nur angeleitet, die Arbeit obliegt bei den Angestellten sowie politischen Verantwortlichen der Gemeinde. Eine Förderung vom Land würde sie nicht bekommen. „Wenn jeder dezidiert mit schafft, können wir es auch alleine schaffen“, sagte die Bürgermeisterin. Die 30.000 Euro Beratungskosten müsse man erst einmal wieder reinholen. Der gleichen Meinung ist auch Vizebürgermeister Joachim Bickel: „Jeder soll über die Bücher gehen. Wir sind die größten Player in diesem Prozess.“

Ausweglose Lage

Joachim Erhart steht einer internen Prüfung skeptisch gegenüber und wurde deutlich: „Wir haben keinen Plan, wie wir das Defizit herabbringen. In meinen Augen ist unsere finanzielle Situation ziemlich ausweglos. Wir brauchen dringend Hilfe. In den letzten Monaten haben wir bewiesen, dass wir es nicht alleine schaffen.“ Bernhard Burtscher tut sich schwer, bei den 30.000 Euro Kosten mitzugehen, aber der Wille sei da, bis Herbst aktiv mitzuarbeiten. Doch für Andreas Bertel ist ein Prozessbegleiter unabdingbar: „Wir brauchen einen roten Faden. Das kann kein Interner machen. Ein Fachmann behält den Prozess im Auge und stellt die richtigen Fragen. Außerdem bringt er bereits Erfahrungen mit und kann uns durchs Wasser führen.“


Schlussendlich einigte man sich darauf, dass man immer noch einen externen Berater hinzuziehen könne. Nachdem die Verwaltung die Zahlen zusammengetragen hat, könne man sich überlegen, wie man Einnahmen lukrieren und Ausgaben reduzieren kann. Raggal hat nicht viele Einsparungspotenziale, die Organisation ist zu kleinstrukturiert, als dass man hier große Sprünge machen könnte. Bis 2023 sollen aber einige Einsparungsmaßnahmen umgesetzt werden.


Zum Beispiel werde mit den Kreditgebern über die Konditionen der laufenden Kredite verhandelt. Auch eine Bestandsaufnahme der gemeindeeigenen Häuser werde vorgenommen, um zu sehen, wo in naher Zukunft Reparaturen anfallen. Bei Sanierungen von Objekten, beispielsweise das Schulhaus in Marul, soll darauf geachtet werden, dass sich die Sanierung in Form von einer Miete über die Jahre selbst finanziert.

Teures Kanalkataster

Raggal befindet sich in der Zwickmühle. Zum einen muss die Gemeinde dringende Investitionen machen, zum anderen muss sie so viel sparen, wie es nur geht. Allein der fast abgeschlossene Kanalkataster mit insgesamt rund 650.000 Euro macht sich mit einer viertel Million Euro im Voranschlag 2022 bemerkbar. Die Vorfinanzierung läuft über die Gemeinde, da die Landesförderung zeitversetzt, meistens im anderen Wirtschaftsjahr, erfolgt. VN-JUN