Die Zukunft ist egal
In den kommenden zehn Jahren werden sich allein in Vorarlberg um über 10.000 Menschen mehr in Pension verabschieden als ins erwerbsfähige Alter nachrücken. Das wird unter anderem auf einen noch viel größeren Arbeitskräftemangel hinauslaufen. An Kindergärten und Schulen genauso wie in der Gastronomie und in der Industrie oder natürlich auch in den Spitälern und in der Pflege. Gut ist, dass das absehbar ist. Schlecht ist, wie beharrlich Politik mögliche Lösungen blockiert.
Die demographische Entwicklung hätte schon vor langer Zeit einen Ausbau ganztägiger Kinderbetreuungseinrichtungen notwendig gemacht. Das ist nicht nur ein Beitrag zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern auch zu mehr Kinderreichtum. Desbezüglich ist immerhin etwas in Bewegung gekommen. Spät, aber doch.
„Zuwanderungspolitik verhärtet sich. Sie wird für Stimmungsmache missbraucht.“
Zuwanderungspolitik tritt im Unterschied dazu auf der Stelle, verhärtet sich. Gerade sie könnte schnell und wirkungsvoll helfen, den Arbeitskräftemangel zu entschärfen. Getrieben durch Freiheitliche, die unter Jörg Haider bereits Anfang der 1990er-Jahre ein Anti-Ausländer-Volksbegehren initiiert haben, trauen sich zu viele Schwarz-Türkise, aber auch Rote nicht mehr, nüchtern zu agieren.
Das Thema wird zur Stimmungsmache missbraucht. Zwischen Asyl und Migration wird kein Unterschied gemacht. Angesagt ist eine Festung Europa mit Mauern oder Zäunen rundherum, praktiziert wird ein Schengen-Veto, das über echte Probleme mit Ungarn und Serbien hinwegtäuschen soll, sowie letzten Endes auch eine dazu passende, im internationalen Vergleich sehr restriktive Einbürgerungspolitik.
Die österreichische Staatsbürgerschaft ist ein hohes Gut. So wie damit umgegangen wird, wird jedoch signalisiert, dass sie nur gnadenhalber verliehen wird; unter der Voraussetzung, dass man nicht aufgefallen ist. Ergebnis: Diejenigen, die, wenn überhaupt, nur einen minimalen Integrationsbedarf hätten, pfeifen am ehesten darauf. Sie können es sich leisten, so nicht mit sich umspringen zu lassen. Gemeint sind etwa Hochqualifizierte und/oder Deutsche, bei denen mit einer Einbürgerung zumindest das Signal einhergehen könnte, wirklich dazuzugehören und längerfristig Teil der Gesellschaft zu sein.
Doch zurück zum Schengen-Veto: Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der sich hier im Sinne von FPÖ-Chef Herbert Kickl und mit Zuspruch der SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner gegen Bulgarien und Rumänien gestellt hat, wird schon wissen, was er damit angerichtet hat. Wichtiger sind ihm jedoch Umfragewerte. Die Zukunft ist egal: Es handelt sich auch um eine Bösartigkeit gegenüber den Menschen aus diesen beiden Herkunftsländern; zum Beispiel also sehr vielen 24-Stunden-Betreuerinnen, die man nicht vor den Kopf stoßen, sondern umwerben sollte.
Johannes Huber
johannes.huber@vn.at
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
Kommentar