Ohne jeden Respekt
Er nennt sie Schatz. Der Mann ist Mitte 30 und sorgfältig gekleidet. Er steht an der Käsetheke im Supermarkt und gibt seine Bestellungen auf. Das tut er detailliert und gedehnt. Jedem neuen Wunsch schickt er, wie selbstverständlich, das Kosewort hinterher: „Gibst mir noch vom Emmentaler, Schatz?“ Na ja, ein Paar, denkt man sich zuerst.
Doch jedes Mal blickt er sich um, ob es auch jeder gehört hat. Die junge Verkäuferin agiert verhalten, distanziert. Sie meidet den Blickkontakt. Als sie ihm seine Einkäufe auf die Theke legt, zieht sie die Hand rasch zurück, die er offenkundig zu berühren sucht. In diesem Augenblick hat die Glasvitrine, die ihre Waren feilbietet, etwas erfreulich Wehrhaftes. Also zieht er ab und ruft ihr noch etwas zu, das im allgemeinen Einkaufslärm untergeht.
Später beteuert die junge Frau auf Anfrage, dass sie den Mann zum ersten Mal gesehen hat. Manche seien „halt so“. Wie, so? Greift der in Restaurants den Kellnerinnen an den Hintern? Und wenn der jetzt Lehrer ist, sein Geld mit Schutzbefohlenen verdient? Das will man sich gar nicht vorstellen. Manchmal führt einem der Alltag Charaktere vor Augen, die schon im Film abstoßend wirken. Wie sehr erst in freier Wildbahn und zur Pein von Frauen, die sich – aus Sorge um den Job? –nichts sagen trauen.
Thomas Matt
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