Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

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Vorarlberg / 01.07.2023 • 09:00 Uhr

Seit heute fehlt ein wichtiger Beitrag zu gelebter Demokratie. Damit gemeint ist die „Wiener Zeitung“. Sie, die der Republik gehört hat, ist auf Geheiß von ÖVP und Grünen mit dem gestrigen Tag eingestellt worden. Fast 320 Jahre nach ihrer Gründung. „Mein Gott“, könnte man jetzt sagen, „das Blatt hat doch kaum jemand gelesen. Es weiterzuführen hätte die Steuerzahler nur Geld gekostet.“ Tatsächlich: So isoliert ist das alles nicht falsch. Es geht jedoch um mehr.

Demokratie heißt nicht nur, dass regelmäßig Wahlen abgehalten werden. Oder dass sich Regierende in Sonntagsreden und Präambeln zu ihr bekennen. Wesentlich ist zum Beispiel auch Bildung, die dazu ermächtigt, sich eine fundierte Meinung bilden zu können. Eine Voraussetzung dafür ist außerdem Transparenz in möglichst allen Winkeln des Staates, vom Rathaus bis zum Kanzleramt. Nur so ist es möglich, dass Bürgerinnen und Bürger überhaupt erfahren können, was ist; bzw. wie zum Beispiel ein Bürgermeister oder ein Regierungschef wirklich agieren. Ohne ein solches Wissen sind sie allein auf ihr Gefühl angewiesen, ob stimmt, was ihnen Parteien erzählen; laufen sie Gefahr, immer wieder geblendet und enttäuscht zu werden.

Wichtig ist, dass es viele solcher Medien gibt. Und in Österreich hat es schon vor der Einstellung der ,Wiener Zeitung‘ zu wenige gegeben.

Hier kommt das zum Tragen, was gerne als vierte Macht bezeichnet wird: Medien. Medien betreiben das Ausleuchten des Staates professionell. Beruf politischer Journalisten ist es, Mächtigen auf die Finger zu schauen und Bürger, die anderes zu tun haben, auf dem bestmöglichen Informationsstand zu halten – nicht zuletzt auch im Hinblick auf die nächste Wahl.

Das sollte man sich in einer Demokratie ganz selbstverständlich von ihnen erwarten können. Doch kann man es? Das Amtsgeheimnis, ein Ausdruck für Intransparenz, steht dem ebenso entgegen wie eine Medienpolitik, die eine demokratische Zumutung ist. Der ORF befindet sich seit Jahrzehnten – insbesondere über den Stiftungsrat, ein Aufsichtsgremium – unter parteipolitischer Kontrolle. Man ist auf Redakteure angewiesen, die dagegenhalten.

Hin und wieder heißt es, dass der politische Einfluss zurückgenommen werden solle. Zuletzt hätte die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sogar ihre Bereitschaft signalisiert, auf das Mitspracherecht der Landeshauptleute bei der Bestellung der Landesdirektoren des öffentlich-rechtlichen Senders zu verzichten. Unter diesen Umständen wäre es für die zuständige Ministerin Susanne Raab (ÖVP) ein Leichtes gewesen, das umzusetzen. Sie hat es nicht getan. „Medienförderung“ wiederum ist trotz aller Korruptionsaffären in diesem Zusammenhang weiterhin zu einem erheblichen Teil Inseratenvergabe nach Gutsherrenart, dient der Pflege von Abhängigkeitsverhältnissen. Dabei zeigt sich im Übrigen, dass Geld keine Rolle spielt, solange es Machtinteresse entspricht.

Es spielt nur dann eine Rolle, wenn es Machtinteressen widerspricht. Wie eben im Falle der „Wiener Zeitung“, die mit dem gebürtigen Lustenauer Walter Hämmerle zuletzt einen hervorragenden Chefredakteur hatte und herausragenden Qualitätsjournalismus lieferte. Wobei die bescheidene Leserzahl nebensächlich ist: Wenn eine Information relevant ist, breitet sie sich auch ausgehend von einer kleinen Zeitung aus. Wichtig ist, dass es viele solcher Medien gibt. Und in Österreich hat es schon vor der Einstellung der „Wiener Zeitung“ zu wenige gegeben.

Johannes Huber

johannes.huber@vn.at

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.