Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

„Solange ich es nicht selber machen muss“

Vorarlberg / 10.07.2023 • 17:05 Uhr

Ich bin immer noch die meiste Zeit am Land. Es ist heiß in der Stadt, der Hund sagt: zu heiß. Es ist auch heiß am Land, die Tomaten müssen gegossen werden, die junge Kastanie, die neue Feige und das Hochbeet. Und die paar Stangenbohnen, die mir die Schnecken gnädig übrig gelassen haben.

„Nur ein einzelnes gelbes Küken saß zitternd und piepsend in einer Pfütze.“

Ich musste auch die Hendln vom Nachbarn füttern, der drei Wochen auf Urlaub war. Das habe ich gern gemacht, weil ich vom Nachbarn das ganze Jahr über fantastische Eier bekomme, korrekt: von den Hühnern, die ich jetzt fütterte. Die Hühner sind lustige, schlaue Tiere, die abends, wenn es dunkel wird, von selber in den Stall gehen, vor dem sich dann eine automatische Klappe schließt. Die Hendln haben mich dann schon begrüßt, wenn ich gekommen bin, und als ich einmal einen Tag nicht da war, haben sie mich am nächsten auf sehr nette Art überrascht, denn sie hatten sich in der Zwischenzeit verdoppelt.

Ich schickte dem Nachbarn ein Video von dem Kükengewusel nach Kroatien und er schrieb zurück: Könntest du am Abend, wenn die Klappe zu ist, mal kurz nachsehen, ob es alle in den Stall geschafft haben? Na klar.

Davor geschah aber noch was anderes. Ein anderer Nachbar kam und sagte: Du, die neue Ortsvorsteherin hat gefragt, wegen dem Gebüsch zwischen deinem Grund und der Straße. Ah, okay. Als die Kinder klein waren, habe ich den Streifen selbst gerodet und gemäht, für die Sicht und die Sicherheit, wenn sie zu den Nachbarnkindern gingen, aber jetzt ist es mir ehrlich gesagt egal, wenn da was wächst.

Der Nachbar hat gefragt, obs mich stören würde, wenn da ein bisschen zurückgeschnitten würde, ich habe gesagt: Solange ich es nicht selber machen muss, bitte gern.

Ungefähr eine Stunde später wurde ich hochgeschreckt von einem wahnsinnigen Maschinengewitter. Ich bin nach vorne, da war die Ortsvorsteherin mit ein Trupp von Männern und Frauen schon damit beschäftigt, vor meinem Grundstück alles abzurasieren und auf den Anhänger eines Traktors zu schippen. Offenbar hat sie es gern ordentlich, es ging so zackzack, kurz wähnte ich mich wieder im Ländle.

Ich habe zuerst allen ein kaltes Bier gebracht, dann habe ich der Ortsvorsteherin zur Wahl gratuliert und ihr einen Zettel mit meiner Telefonnummer zugesteckt, damit sie mich nächstes Mal vor so einer Aktion anruft, dann helfen mein Fadenmäher und ich nämlich auch mit.

Später, als es finster wurde, bin ich rüber in den Hendlstall, wo die Klappe schon zu war und alle Hühner drin. Nur ein einzelnes gelbes Küken saß zitternd und piepsend in einer Pfütze. Ich nahm es vorsichtig in die Hand und brachte es in den Stall zu den anderen Hühnern. Heute kommt der Nachbar zurück, ich werde die Hendln vermissen.

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.