Ein Kinderparadies schließt seine Tore

Vorarlberg / 13.07.2023 • 22:04 Uhr
Der verlassene Spielplatz vor dem Ferienheim. Das Gras wuchert, Schaukeln und Rutschen bleiben unbenutzt. VN/Steurer
Der verlassene Spielplatz vor dem Ferienheim. Das Gras wuchert, Schaukeln und Rutschen bleiben unbenutzt. VN/Steurer

Kein Personal mehr, härtere Auflagen, weniger Anmeldungen. Das Ferienheim Bolgenach macht dicht.

Hittisau, Lustenau Sabine Künz kämpft mit den Tränen und hat den Kampf auch schon verloren. „Es ist so traurig“, schluchzt die 48-jährige Unternehmerin aus Lustenau. „Das Ferienheim Bolgenach war Teil meines Lebens. Ich und meine Schwester haben dort wunderbare Tage unserer Kindheit verbracht. Wie gerne hätte ich dorthin auch meine kleine Tochter noch geschickt.“

Die Erinnerungen sprudeln aus der Unternehmerin nur so heraus. „Meine Oma und meine Tanten waren dort Jahr für Jahr. Sie haben als Putzfrauen und Köchinnen dort gearbeitet. Und wir durften als Kinder an diesem Ort glücklich sein. Sind den ganzen Tag barfuß herumgelaufen, sind gewandert, haben gespielt und Abenteuer erlebt. Ich war jedes Jahr in Bolgenach. Von meinem fünften bis zum 13. Lebensjahr.“

Bolgenach statt Meer

Schwester Bettina war bis zum beschlossenen Aus des Heimbetriebs anlässlich der Jahreshauptversammlung vom 2. März dieses Jahres im Vorstand des Vereins Ferienheim Bolgenach, das aus einer Initiative Lustenauer Bürger entstanden war. Sie hat die Gästebücher des Ferienheims mit nach Lustenau gebracht. Beim Durchblättern ist Sabine Künz einmal mehr gerührt. Tatsächlich finden sich in den Alben wunderschöne Zeichnungen und eine Vielzahl schwärmerischer Einträge. „Das sagt wohl alles, wie beliebt das Ferienheim war“, meint Künz.

Sofort ist wieder eine Geschichte bei ihr präsent. „Einmal wollten uns unsere Eltern einen anderen Urlaub bieten. Sie hatten es gut gemeint und fuhren mit uns nach Jugoslawien ans Meer. Doch dort haben meine Schwester und ich bald angefangen zu weinen. Man brach den Urlaub ab und fuhr uns nach Bolgenach. Dort waren wir sofort wieder glücklich.“ Besonders berührt ist Sabine Künz auch wegen ihres kürzlich verstorbenen Vaters. Der Installateur-Meister war ein tatkräftiger Unterstützer des Ferienheims Bolgenach, hatte dort noch vor wenigen Jahren den Spielplatz umgebaut. „Nach Papas Tod haben viele in ihren Kondolenzbriefen das Ferienheim mit einer Spende bedacht“, berichtet die Lustenauerin.

Das Haus diente über 40 Jahre Kindern als ein Ort für unbeschwerte Sommerfrische. Auch diverse Vereine und Gruppen haben das Ferienheim Bolgenach immer wieder gerne für bestimmte Anlässe gemietet.

Großes Bedauern

Mit großem Bedauern zur Kenntnis nimmt Vereinsobmann Hans-Dieter Grabher (76) die Entwicklungen. Der frühere Lustenauer Bürgermeister räumt ein: „Es schmerzt, keine Frage. Aber wir haben einfach keine Möglichkeit gesehen, den Betrieb weiterzuführen. Besonders die Personalproblematik hat uns zu diesem Schritt gezwungen.“ Laut Grabher wird das Haus Ende September der Gemeinde übergeben und der Verein aufgelöst.

Sabine Künz glaubt, dass noch andere Gründe für das Verschwinden ihres geliebten Kinderortes verantwortlich sind. „Die Auflagen werden immer strenger, die Verantwortung größer. Und es ist auch nicht immer so leicht mit bestimmten Kindern. Alles zusammen ist offensichtlich zu viel.“

Aus und vorbei. Das Ferienheim Bolgenach wird keine Kinder mehr im Sommer beherbergen. Die Läden bleiben geschlossen.
Aus und vorbei. Das Ferienheim Bolgenach wird keine Kinder mehr im Sommer beherbergen. Die Läden bleiben geschlossen.