Monika Helfer

Kommentar

Monika Helfer

Lappalien

Vorarlberg / 29.08.2023 • 18:40 Uhr

„Worum hat es sich gehandelt?“, fragte die Mutter ihre Tochter, die nach einem Streit mit ihrem Mann gekommen war.
„Ich weiß es gar nicht“, sagte die Tochter, „das war so viel und doch nichts.“
„Da geht man doch nicht gleich“, mahnte die Mutter „du musst lernen, diplomatisch zu sein. Dein Mann ist ein feiner Kerl, der würde alles für dich tun.“
Das wollte die Tochter nicht einsehen. Ihre Mutter meinte wohl, sie sollte nachgeben, dem Mann das Wort lassen. Die Zeiten waren vorbei. Sie würde nicht unter den Tisch kriechen und sich beschimpfen lassen. Sie würde genau wie ihr Mann mit der Faust auf den Tisch hauen. Würde sich etwas ändern?

Was war geschehen?

Ihr Mann hatte bei einer Diskussion mit Freunden alles gewusst und sie hatte keine Chance gehabt, etwas zu sagen. Gut, es war nicht ihr Thema gewesen. Also, sie hatte schon versucht ins Wort zu fallen, war aber gescheitert. Da war noch der Freund, der auch mehr gewusst hatte als sie, der fast so gut argumentieren konnte wie ihr Mann. Sie hatte wieder einmal klein beigegeben, gedacht, ist doch egal, ist nicht wichtig, sollen sie reden, sollen sie sich gescheit fühlen. Da war dann noch die Bedienung, die gerade nichts zu tun hatte, und vom Freund an den Tisch geladen wurde. Sie war hübsch. Vor der mussten die Männer imponieren. Die Frau versuchte, die Bedienung auf ihre Seite zu ziehen, und es gelang ihr auch, indem sie ihr ein Auge drückte. Die Bedienung bedankte sich für das Glas Wein und zeigte der Frau zwei Daumen hoch. Hieß das, wortlos aufmuntern? Die Besserwisser waren hartnäckig. Die Frau stand auf und verließ das Lokal. Sie hörte ihren Mann rufen, da war sie schon an der Ampel. Sie wollte nach Hause laufen. Ihr Mann nahm sie an der Schulter. „Hat dich jemand verletzt? Was ist mit dir? Wir hatten es doch so gemütlich. Jetzt hast du alles kaputt gemacht.“

„Die Frau versuchte, die Bedienung auf ihre Seite zu ziehen, und es gelang ihr auch, indem sie ihr ein Auge drückte.“

„Verstehst du, was ich meine, Mama?” fragte die Tochter. „Was würdest du an meiner Stelle tun?“
„Jedenfalls keinen Krieg führen, du siehst, wohin das führt. Einer muss nachgeben. Wenn du es schön haben willst, gib nach. Denk dir deinen Teil und gib nach.“
„Sicher nicht, Mama. Der braucht einen Denkzettel, sonst ändert sich das nie.“
Der Vater kam dazu und sagte, halb im Spaß: „Wer hat mein Kind beleidigt? Wer mein Kind beleidigt, kriegt es mit mir zu tun.“
„Jetzt einmal im Ernst, Papa! Du hast doch auch immer das letzte Wort.“
„Nur wenn ich Recht habe, sonst bin ich ein Lamm, stimmt doch, Mama.“
„Sag nicht Mama zu mir“, sagte seine Frau, „ich bin nicht deine Mama.“

Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.