Verbremst
Es sagt alles: Monatelang hat sich die ÖVP gegen eine Mietpreisbremse ausgesprochen, um sich mitten im Sommer darauf einzulassen. Und zwar unmittelbar vor einer Sondersitzung des Nationalrats, in der Freiheitliche und Sozialdemokraten den Druck erhöht hatten. Botschaft: Sachargumente waren nicht ausschlaggebend. Bundeskanzler Karl Nehammer und Co. haben aus Panik, noch weiter abzustürzen, reagiert. Den Grünen war’s recht.
Wobei: Ist jetzt irgendetwas besser? Nach und nach sickert durch, dass die Bremse für Mieter „auf dem freien Markt“ nicht gilt. In Vorarlberg ist das eine Masse. Das bringt viele Probleme mit sich. Diese Leute werden unter Umständen noch enttäuschter sein über die Politik, als sie es ohnehin schon waren. Vor allem aber: Einmal mehr zeigt sich, dass Antiteuerungsmaßnahmen alles andere als treffsicher sind. Die Frage, wer Hilfe braucht, ist nebensächlich.
Rückblickend ist es natürlich einfach, zu urteilen: Heute weiß man, dass die Milliarden, die bisher summa summarum mit der Gießkanne ausgeschüttet wurden, die Teuerung befeuert haben. Umgekehrt hat man sich zu wenig darum bemüht, Preissteigerungen zu begrenzen. Das hätte immerhin dazu beitragen können, dass die Teuerung schneller abflacht. Dass die Inflation in Österreich aktuell nicht siebeneinhalb Prozent beträgt, sondern dem europäischen Schnitt von knapp fünfeinhalb Prozent näher wäre.
Kritik hätte es selbstverständlich immer gegeben. Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler würden sich aber leichter tun, dieser zu begegnen, wenn sie aus Überzeugung einen bestimmten Kurs verfolgen würden. Und wenn sie nicht erst zu einem Zeitpunkt, zu dem ein deutlicher Rückgang der Inflationsrate möglich scheint, mit einer Mietpreisebremse daherkommen würden.
Ob ihnen diese Bremse noch eine Rettung sein kann? Es wird Leute geben, denen sie es weniger schwer machen wird, über die Runden zu kommen. Das sollte man sehen. Leuten, die Marktpreisentwicklungen ausgesetzt sind und die dies ebenfalls notwendig hätten, wird die Bremse nichts bringen. Das ist ein Problem.
„Es ist wichtiger denn je, sich um eine Perspektive für eine gute Zukunft zu bemühen.“
Ein zumindest genauso großes Problem ist jedoch, dass schon länger anhaltende Immobilienpreissteigerungen, die nunmehrige Teuerung sowie die rasanten Zinserhöhungen gesellschaftliche Verwerfungen beschleunigen. Vor 50 Jahren konnte sich zum Beispiel ein durchschnittlicher Vorarlberger ein Eigenheim leisten. Am Ende seines Erwerbslebens hatte er die Schulden beglichen. Seit einiger Zeit ist das eher unmöglich. Schlimmer: Er oder sie muss befürchten, dass sich der gewohnte Lebensstandard generell verschlechtert. Klar, verhungern wird niemand. Es ist aber fahrlässig, das zu ignorieren und es Populisten zu überlassen, Sorgen und Ängste zu verstärken, die damit einhergehen und die sich immer weiter auch in eine Mittelschicht hineinfressen. Mit einem Satz: Es ist wichtiger denn je, sich um eine Perspektive für eine gute Zukunft zu bemühen. These: Wer das zusammenbringt, wird auf politischer Ebene zumindest längerfristig gewinnen. Das wird entscheidend.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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