Der 25-Stunden-Sonntag ist im Anmarsch

Ach, du liebe Zeit! Am Wochenende gilt auf einen Schlag wieder die Winterzeit.
Dornbirn Die Antwort auf die Frage, „Wer hat an der Uhr gedreht?“, lautet immer öfter: niemand. „Es ist nicht mehr wie früher, wo sich die Leute nicht ausgekannt haben und gekommen sind, um die Zeit einstellen zu lassen“, sagt Peter Jochum von Uhren Schmuck Jochum in der Eisengasse in Dornbirn. Der Grund: Heutzutage sind viele Uhren per Funk oder GPS gesteuert und stellen sich damit automatisch um. Die Zeitumstellung sei für die Uhrmacher daher kein Aufwand mehr. „Und die Uhren im Geschäft stellen wir alle auf 10.10 Uhr. Das ist das Lächeln der Uhr“, merkt Jochum an.

An diesem Wochenende ist es wieder so weit: In der Nacht auf Sonntag wird auf die Winterzeit und somit auf die Normalzeit umgestellt. Statt 3 Uhr ist es dann auf einen Schlag erst 2 Uhr. Die möglichen Vorteile: Dieser eine Sonntag ist 25 Stunden lang, und morgens wird es früher hell.
An den Öfen in den Filialen der Bäckerei Mangold wird bereits am Vortag an den Uhren gedreht. „Damit sich die Öfen pünktlich um 4.30 Uhr automatisch einschalten. Sie sollen ja heiß sein, wenn die erste Verkäuferin kommt. Ein Teil des Brotes wird nämlich in den Filialen fertiggebacken“, erläutert Produktionsleiter Necati Avsar.

Die Zeitumstellung wurde anlässlich der Ölkrise eingeführt. Seither wird zweimal jährlich munter über die Vor- und Nachteile dieser Maßnahme diskutiert. Das Europaparlament hat zwar im März 2019 mit großer Mehrheit für eine Abschaffung in der EU gestimmt. Ob das tatsächlich umgesetzt wird, steht allerdings noch immer in den Sternen. Der Ball liegt beim EU-Ministerrat, zuständig sind die Verkehrsminister. Losgetreten wurde die Diskussion durch eine EU-weite Onlineumfrage, bei der sich 84 Prozent der Teilnehmer für ein Aus der Zeitumstellung aussprachen. Die meisten stimmten für eine dauerhafte Sommerzeit.

Schlafexperten wie Oberärztin Tamara Hernler, Leiterin des Schlaflabors im LKH Hohenems, sprechen sich klar für eine Abschaffung und eine dauerhafte Winterzeit aus: „Eine Stunde klingt immer so wenig, aber eine Stunde kann doch etwas ausmachen. Das bringt uns einfach aus dem Tritt, das bringt unseren Biorhythmus durcheinander“, betonte Hernle erst unlängst in den VN. Die Winterzeit sei unsere reguläre Zeit. Viele Leute können im Sommer so schlecht schlafen, weil es so lange hell ist und sich dadurch die Produktion von Melatonin verzögert. Auch eine aktuelle Umfrage aus Deutschland im Auftrag der DAK-Gesundheit zeigt: Jeder dritte Befragte hatte nach der Umstellung schon einmal körperliche oder psychische Probleme. 82 Prozent der Betroffenen gaben an, sich müde und schlapp zu fühlen. 68 Prozent von ihnen leiden demnach unter Schlafproblemen, und 44 Prozent konnten sich schlechter konzentrieren.

Die Umstellung hat im Übrigen auch Auswirkungen auf den Zugverkehr. Die Nachtreisezüge bleiben während dieser einen Stunde stehen und setzen ihre Fahrt anschließend laut Fahrplan fort. Die S-Bahnen wiederum fahren so wie eine Stunde davor. Allein bei den ÖBB müssen in der Nacht auf Sonntag österreichweit über 4000 Uhrwerke umgestellt und Server und Rechner synchronisiert werden. In Vorarlberg sind 193 Uhren auf den Bahnsteigen und in oder an den Bahnhofsgebäuden betroffen. „Diese sogenannten Nebenuhren werden durch die Hauptuhren in den Technikräumen synchron angesteuert. Dieser Prozess läuft automatisch ab. Die Synchronisation der Hauptuhren erfolgt entweder mittels des Zeitzeichensenders DCF77, eines GPS-Satelliten oder eines NTP-Servers“, erläutern die ÖBB das Prozedere.
Die Winterzeit beginnt immer am letzten Sonntag im Oktober. Am 31. März 2024 werden die Uhren dann wieder um eine Stunde vorgestellt.