Wenn sie das noch sehen könnten
Wenn das der Vater noch sehen könnte! Je nach Betonung schwankt der Satz zwischen sehnsuchtsvollem Wunsch und unterschwelliger Drohung. Jedenfalls ist der Vater nicht mehr da. Und doch wird er ganz aktuell ins Gespräch einbezogen. Gerade, weil ihn niemand mehr direkt um seine Meinung fragen kann.
Der Tod zieht eine trennscharfe Linie. Doch wir finden tausend Wege, sie zu überschreiten. Obwohl ja längst nicht jeder an ein Drüben glaubt … und die es tun, tun es wider besseres Wissen. Können wir doch nur mit Sicherheit davon ausgehen, dass auch wir eines Tages an dieser Linie stehen werden. Wann? Das weiß niemand. Wie? Kann keiner sagen. Und danach? Auf ein Danach können wir glaubend hoffen, mehr nicht.
Und doch gehen an Allerheiligen Menschen zu geschmückten Gräbern und lassen ihrer Erinnerung freien Lauf. Lesen das in Stein gemeißelte Sterbedatum und lassen Revue passieren, was sich seither ereignet hat. Dann fallen solche Sätze: Wenn das der Vater noch sehen könnte! Oder die Mutter, oder ein viel zu früh verstorbenes Kind. Und dieser eine Satz holt sie alle wieder mitten herein in unser Leben. In solchen Augenblicken steht der Tod ganz machtlos da und verloren, wie der marmorne Engel einer Grabskulptur, der sich anschickt, eine Blume in einen Kelch zu legen und es doch in tausend Jahren nicht schaffen wird.
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