„Du wirst dich fühlen, als ob du stirbst“

Vorarlberg / 16.11.2023 • 12:10 Uhr
Sabine Kuegler ist heute Buchautorin und Unternehmerin. Sie engagiert sich gegen soziale und kulturelle Missstände. <span class="copyright">Monika Albers (3) </span>
Sabine Kuegler ist heute Buchautorin und Unternehmerin. Sie engagiert sich gegen soziale und kulturelle Missstände. Monika Albers (3)

„Dschungelkind“ Sabine Kuegler (51) erkrankte nach einem Besuch in Papua-Neuguinea schwer. Die Ärzte hatten sie aufgegeben. Sie kehrte in den Urwald zurück, um ein Heilmittel zu finden.

Sabine Kuegler (51) ist dankbar. „Ich hatte eine wunderschöne Kindheit und Jugend.“ Die Wahlhamburgerin wurde im Urwald groß. Im Alter von 5 Jahren kam sie mit ihren Eltern, beide Sprachwissenschaftler, in den Dschungel von Westpapua, Indonesien. Die Familie lebte dort mit einem damals gerade neu entdeckten Stamm, den Fayu. Die Natur war Sabines Spielplatz. „Jeden Tag erlebte ich neue Abenteuer.“ Spielerisch lernte das Kind die Sprache des Dschungels. „Ich lernte, wo man Essen findet, wo Gefahren lauern und wie man in dieser rauen Umgebung überlebt.“ Die Fayu brachten ihr Überlebenstechniken und das Jagen mit Pfeil und Bogen bei. „Im Lauf der Jahre wurde ich ein Mitglied des Fayu-Stammes. Ich übernahm ihre Kultur und ihre Lebensweise.“ Sabine blühte auf in dieser Welt voller Stammesgeister, Naturgesetze und magischer Schönheit. „Ich lebte vollkommen im Hier und Jetzt, in einem nie endenden gegenwärtigen Moment. Vergangenheit und Zukunft hatten für mich keine Bedeutung, genauso wenig wie für die Fayu.“

Mit 17 verließ Sabine den Dschungel und machte ihren Schulabschluss in der Schweiz. In Europa erfuhr sie einen tiefen Kulturschock. Sabine war mit modernen Technologien und einer anderen Art der Kommunikation konfrontiert. „Ich war überfordert und kämpfte ums Überleben. Für mich war die westliche Welt viel gefährlicher als der Urwald.“ Im Mädcheninternat lernte sie zwar viel und fand wunderbare Freunde. „Dennoch fühlte ich mich immer noch fremd.“ Sabine litt unter schrecklichem Heimweh, wollte zurück in ihre Welt. „Ich sehnte mich nach dem Leben im Urwald, nach meinem Stamm, nach der Natur, den Geräuschen, Farben und Energien. Ich hatte Sehnsucht nach prachtvollen Sonnenuntergängen und sanften Brisen, die vertraute Gerüche mit sich trugen.“

Das Urwaldmädchen kam zu der Erkenntnis, dass es nicht hierher gehört. „Ich beschloss, dass es Zeit für mich war, zurück nach Papua zu gehen.“ Aber dann erfuhr die 18-Jährige, dass sie schwanger ist. „Es war ein Schock. Meine Rückkehrpläne lösten sich von einem Moment auf den anderen in Luft auf.“ Drei weitere Kinder sollten in den nächsten Jahren folgen. „Meine Kinder wuchsen auf, beide Ehen scheiterten jeweils nach einigen Jahren.“ Die Jahre vergingen – der Dschungel wurde zu einer Erinnerung, die Sabine tief in sich vergrub. Aber auch nach jahrelangem Aufenthalt in Europa blieb Sabines Seele gefangen zwischen zwei Kulturen. „Ich fühlte mich in einer Existenz gefangen, über die ich die Kontrolle verloren hatte.“ Als sie sich für ihre Vergangenheit öffnete und ein Buch über ihre Kindheit und Jugend schrieb, den Weltbestseller „Dschungelkind“, war dies für sie ein erster Schritt heraus aus der Dunkelheit. „Jetzt hatte ich das Gefühl, endlich in der neuen Welt angekommen zu sein.“

Doch dann stürzte alles wieder ein. „Mein ganzes Leben wurde in Stücke zerrissen.“ Sabine wurde krank, sehr krank. „Es begann mit Grippesymptomen. Sie verschwanden und tauchten erneut auf, immer wieder.“ Die vermeintlichen Grippeschübe kamen immer häufiger und hielten immer länger an. „Ich hatte ständig Schmerzen. Meine Knochen fühlten sich an, als stünden sie in Flammen.“ Sabine wurde immer schwächer. „Ich sah mich mit dem baldigen Tod konfrontiert.“ Niemand wusste, woran sie litt. Niemand konnte ihr helfen. „Die Ärzte hatten mich aufgegeben.“ Sabine fragte sich, ob sie sich diese Krankheit im Dschungel eingefangen hatte. „2006 hatte ich meinen Stamm im Regenwald besucht, 2007 war ich in Papua-Neuguinea. Ich hatte abgelegene Dörfer besucht, eine Höhle voll mit Fledermäusen betreten, hatte knöcheltief in ihren Extrementen gestanden.“ Die vierfache Mutter vermutete, „dass ich möglicherweise nur im Regenwald ein Heilmittel finde, bei den Stämmen von Neuguinea“.

Sabine wollte für ihre Kinder leben. „Der Gedanke, dass sie ihre Mutter verlieren, war unerträglich für mich.“ Sie beschloss, im Dschungel der Insel Neuguinea nach einem Heilmittel zu suchen. Eine abenteuerliche Reise begann, eine, die ihr eine zweite Chance im Leben und die Möglichkeit gab, in ihre Welt und Kultur zurückzukehren. Fünf Jahre lebte Sabine mit verschiedenen Stämmen im tiefsten Urwald von Papua-Neuguinea und den Salomoneninseln. Dort erlebte sie unglaubliche Abenteuer.

In ihrem neuen Buch „Ich schwimme nicht mehr da, wo die Krokodile sind“ berichtet sie von ihren ungewöhnlichen Erlebnissen und von der langwierigen Suche nach einem Heilmittel. Im Lauf der Jahre kam Sabine mit vielen Medizinmännern in Kontakt, aber nur einer kannte ihre Krankheit und wusste, wie man sie heilt – mit dem Baumrindensaft des „Blutbaumes“. Bevor sie ihn einnahm, sagte man ihr: „Du wirst dich fühlen, als ob du stirbst. Aber keine Sorge, das wird nicht passieren.“ Diese Worte sollten sich bewahrheiten. „Nach der Einnahme des roten Saftes ging es mir von Tag zu Tag schlechter. Am dritten Tag fühlte ich mich nicht mehr wie ein Mensch, ich war nur noch ein wimmerndes Stück Fleisch, ohne Kontrolle über meine Körperfunktionen. Ich befand mich in einem Delirium, irgendwo zwischen Leben und Tod.“ Beinahe hätte sie der rote Saft umgebracht. Es dauerte einen ganzen Monat, bis sie wieder auf die Beine kam. Die Krankheitssymptome kehrten nicht mehr zurück. Sabine war geheilt.

Sabine Kuegler kommt am 25. Jänner 2024 nach Vorarlberg. Sie hält im Cubus in Wolfurt einen Vortrag (ab 18.30 Uhr).  Information und Vorverkauf (keine Abendkassa): Buchhandlung Klartext, 0664/1537925 oder unter klartext@utanet.at     

   

              

Das neue Buch vom „Dschungelkind“ Sabine Kuegler und Co-Autorin Katja Suding.
Das neue Buch vom „Dschungelkind“ Sabine Kuegler und Co-Autorin Katja Suding.