Hanno Loewy

Kommentar

Hanno Loewy

Wunschzettel

Vorarlberg / 28.12.2023 • 09:00 Uhr

Vor ein paar Jahren habe ich in meinem Kommentar über den Rattenfänger von Hameln geschrieben. Ein Leser war darüber sehr erbost. Ich hätte die Menschen und nicht zuletzt Wähler:innen einer gewissen Partei mit Ratten verglichen. Was für ein Unsinn.

Dem Rattenfänger folgen am Ende die Kinder, ihren undankbaren Eltern zur Strafe und Mahnung. Darum geht es.

Ein schwieriges Jahr ist zu Ende und ein schwieriges Jahr beginnt. Zeit dafür, einen Wunschzettel zu schreiben, wie ein Kind. Ich kann mich kaum daran erinnern, wann ich zuletzt so viele Wünsche für das neue Jahr hatte, und so wenig Zuversicht, sie erfüllt zu sehen.

Ich möchte 2024 nicht wieder jede Woche demonstrieren gehen, weder in Bregenz noch in Wien, gegen eine Koalition mit Rechtsradikalen an der Regierung, gar einem „Volkskanzler“, der sich über demokratische Spielregeln, über den Rechtsstaat und die Menschenrechte schon jetzt jeden Tag lustig macht.
Ich möchte 2024 erleben, dass Österreich realisiert, dass es seinen Wohlstand auch den Menschen verdankt, die zu uns kommen um hier ein besseres Leben zu finden. Und damit auch unser Leben besser machen. Ich träume davon, dass die Palästinenser selbst Hamas zum Teufel jagen, was dem israelischen Militär gar nicht gelingen kann, trotz aller martialischen Worte und Taten. Dass die Geiseln freikommen, mit denen die Hamas ihr zynisches Spiel treibt.

„Ich kann mich kaum daran erinnern, wann ich zuletzt so viele Wünsche für das neue Jahr hatte, und so wenig Zuversicht, sie erfüllt zu sehen.“

Ich träume davon, dass Netanjahu endlich seine verdiente Haftstrafe in einem israelischen Gefängnis antreten darf. Und dass die Israelis irgendwann einsehen, dass sie den Kampf gegen Hamas nur gewinnen können, wenn sie den Kampf um eine gemeinsame Zukunft mit den Palästinensern beginnen. Jeder Tag ohne eine Perspektive mit und für die Palästinenser ist auch ein Tag an dem Israel verliert, seine Selbstachtung, seine Demokratie, seine Fähigkeit, eine Zuflucht zu sein.

Ich träume davon, dass die Menschen in Europa irgendwann genug davon haben, sich mit dem Schüren von Antisemitismus und Rassismus, mit Ressentiments gegen Muslime und Migranten, mit Nationalismus und Festungsdenken gegeneinander ausspielen zu lassen.

Rattenfänger gibt es überall. Den Herren Orban, Trump, Erdogan und Putin meine ganz besonderen Wünsche, möge ihnen doch bald der Ruhestand vergönnt sein. Ich schreibe meinen Wunschzettel wie ein Kind. Aber es reicht nicht nur zu träumen wie ein Kind. Es braucht Mündigkeit und Souveränität. Es braucht unser Handeln. Dann tönt die Pfeife der Rattenfänger ins Leere.