Noch länger erhöhter Bedarf

Vorarlberg / 04.01.2024 • 21:44 Uhr

Der Bildungsminister im Gespräch über Gemeinsame Schule, Lehrermangel und PH.

Wien Die OECD sieht eine klare Korrelation zwischen erster Selektion im Bildungssystem und Leistungsdifferenzen von Schülern unterschiedlicher sozioökonomischer Stufen. In Österreich wird aber mit zehn Jahren erstmals geteilt, im OECD-Schnitt mit 14. Was wissen Sie besser?

Polaschek Diese Diskussion haben wir schon öfter geführt. Ich stehe dazu, dass unser System für Österreich das passende ist, ich halte nichts davon, vom differenzierten Schulsystem abzukehren. Zu differenzieren hat durchaus seinen Wert und seine Qualifikation, auch in anderen Systemen gibt es unterschiedliche Leistungsgruppen. Es wäre ein Fehlschluss, zu glauben, dass eine Umstellung all unsere Herausforderungen wegwischen würde.

 

Der Bund sollte laut Land für Gesetzesänderungen sorgen, was die Realisierung von Schulversuchen einer Gemeinsamen Schule erleichtert.

Polaschek Ich sehe den Ball beim Land, für entsprechende Mehrheiten an den Schulen zu sorgen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen wurden schon vor langer Zeit geschaffen – ich als Bildungsminister sehe keinen Grund für eine Änderung.

 

Die wohl größte Herausforderung der nächsten Jahre ist der Lehrermangel. Gebraucht werden in der jetzigen Situation Quereinsteiger und pensionierte Lehrer. Wie will man da Personal gewinnen, wenn nur Lehrer-Einstiegsgehälter bezahlt werden?

Polaschek Zu den Quereinsteigern möchte ich sagen: Wir haben heuer über 600 Personen als Quereinsteiger für die Schule registrieren dürfen. Und das bei einem strengen Auswahlverfahren. Das muss man einmal festhalten. Der Benefit für diese Personen ist, dass sie eine entsprechend öffentlich-rechtliche Anstellung bekommen, also auch Rechtssicherheit haben. Quereinsteiger bringen auch andere Kompetenzen mit und bereichern den Lehrkörper. Und zum Gehalt der Pensionisten: Da haben wir Herausforderungen im Dienstrecht. Dieses Thema betrifft den gesamten öffentlichen Dienst und ist sehr komplex. Wir befinden uns aber in entsprechenden Gesprächen mit dem Beamtenministerium. Es wäre wünschenswert, hier andere Rahmenbedingungen zu haben.

 

Wann greifen die bereits gesetzten Maßnahmen? Schon im kommenden Schuljahr?

Polaschek Sie greifen bereits. Es ist uns gelungen, 600 Quereinsteiger neu ins Schulsystem zu holen. Wir werden auf jeden Fall noch zwei bis drei Jahre diesen erhöhten Bedarf haben. Diese Entspannung wird noch nicht eintreten. Trotzdem greifen die schon gesetzten Maßnahmen. Wir haben etwa für die Bundesschulen das Bewerbungsverfahren digitalisiert. Wir wissen in Echtzeit, wie viele Personen sich an welchen Schulen bewerben.

 

Der Nachschub an Lehrern sollte natürlich primär von den Hochschulen kommen. Oft korrelieren die dort absolvierten Lehrveranstaltungen nicht mit den Stundenplänen der Schulen, wo die Studenten schon arbeiten. Gibt es da nicht Handlungsbedarf?

Polaschek Ja, wir sind hier in Gesprächen mit den anbietenden Institutionen. Es ist klar: Vonseiten der Universitäten und der Pädagogischen Hochschulen braucht es ein entsprechendes Entgegenkommen. Studierende müssen die Möglichkeit für Praxiseinheiten erhalten. Über eine Reform des Lehramtsstudiums sind wir in sehr intensiven Gesprächen mit dem Koalitionspartner, um bald eine Vorlage in Begutachtung zu schicken.

 

Vorarlbergs PH-Rektor Gernot Brauchle steht vonseiten der Lehrervertreter, aber auch Teilen der Kollegenschaft, massiv in der Kritik. Es wird ihm ein rüder Führungsstil und Unfairness bei Postenbesetzungen vorgeworfen. Muss es angesichts solcher Umstände nicht eine Ausschreibung bei der anstehenden Neu-Besetzung des Amtes heuer geben?

Polaschek Wie ich mich das letzte Mal vor einigen Wochen in Vorarlberg befand, waren mir diese Vorwürfe nicht bekannt. Mittlerweile schon. Wir werden diese Vorwürfe natürlich prüfen. Wir werden auch mit Rektor Brauchle das Gespräch führen. Bezüglich dessen, ob ausgeschrieben wird oder nicht, werden wir zeitnah eine Entscheidung treffen. Was ich aber durchaus für sinnvoll halte, ist, dass eine Person, die sich in ihrer Funktion bewährt hat, auch ohne aufwendige Ausschreibung verlängert werden kann, wenn es einen entsprechenden Konsens gibt.

 

Wie sieht Ihre Zukunft aus? Bleiben Sie nach der Nationalratswahl Minister?

Polaschek Ich mache diesen Job sehr gerne, bin gerne Bildungsminister. Ich würde mich freuen, wenn ich auch in einer neuen Regierung eine Regierungsverantwortung bekleiden darf. Es hängt aber von den Rahmenbedingungen ab. Ich habe ja auch schon sehr klar gesagt: Ich stehe nicht als Minister in einer Regierung mit Herbert Kickl und der FPÖ zur Verfügung. Ob ich als Parteifreier auf der ÖVP-Liste kandidiere und wie ich in einem Wahlkampf eingebunden werde, hängt von Parteichef Karl Nehammer ab – ich bin hier für alle Varianten offen.

„Wir haben bei einem sehr strengen Auswahlverfahren heuer über 600 Personen als Quereinsteiger registrieren dürfen.“